I.

Eine ausschnitthafte Sequenz Habermas‘schen Denkens soll den Versuch eines uneigentlichen Blicks auf scheinbar unsichtbare, ethizistische Praktiken einer sich versicherheitlichenden Gesellschaft eröffnen, als eine Form depolitisierter Steuerungsmöglichkeit für die parlamentspolitische Programmierung eines, neuerlich multidimensionalen Sicherheitsbegriffs. Habermas sieht die politische Willensbildung in einer Demokratie als ein durch feste Verfahren Begrenztes verwirklicht. Eine „Herrschaft“ verfestigter Verfahren (die demokratisch-parlamentarische Gesetzesarbeit) will Habermas mit einer hinlänglich prominenten, aber letztlich gedankenexperimentellen Hypothetik verschaltet wissen: der Habermas‘schen impliziten Form des Konsenses oder der impliziten Zustimmung. Hierin wird die „zwangsläufige“ Zwangswirkung, die jedem Verfahren intern ist, wundersam zu etwas Zwanglosem. Kurz: Das Unterworfen-sein-müssen eines Normadressaten wird als etwas Zwangloses entwickelt. Es gilt demnach einer Form des Konsenses nachzugehen, der von Menschen nicht tatsächlich gefunden wird, sondern einem, dem sie ihre Zustimmung hätten geben können, wenn sie denn gefragt worden wären. Nach Habermas wären die Menschen vermittels gültiger Annahme hypothetischer Zustimmung förmlich befreit von Zwängen tatsächlicher Zustimmungsbedürfnisse; sie werden zu „moralisch entlasteten Einzelnen“.

Politisches Handeln und Denken, das sich unterhalb tatsächlicher parlamentspolitischer Programmierungsarbeit verortet, hieße demnach, abhängig zu sein von einem Gedankenexperiment potentiell kontrafaktischer Konsense. Habermas geht idealiter von einer tieferen natürlichen, also schon organisch-kommunikativen Kompetenz jedes Einzelnen aus – die Menschen orientieren sich stets entlang eines (Kant‘schen) kategorischen Imperativs; ihnen kann auch eine politische Ermöglichungsbedingung hypothetischer Zustimmung zugemutet werden, zeitigt solch Unbestimmbares doch messbare soziale Auswirkungen. Es läge dem also eine unhinterfragbare „Tiefenstruktur der pragmatischen Möglichkeiten von Rede“ und Sprache im Zwischen der Menschen zugrunde. Solcher, radikalst denkbare oder ausdifferenzierte Gleichheit einfordernde, politische Raum hingegen erscheint nicht herstellbar. Diese Habermas‘ sche Sequenz denkt sich sozusagen selbst als eine – schon leichtfüßig - unpathetische. Eigentümlich werden am Willensbildungs- oder Gesetzgebungsprozess Nicht-Beteiligte zu „vernünftigen“ Autoren von Gesetzen herleitbar: man (der Adressat) stimmt also einer Möglichkeit äußerlicher Sanktionen (potentiell gegen sich selbst) zu und unterwirft sich solcher Möglichkeit zugleich durch „Zustimmung“ eines rational herleitbaren Gebotes oder Verbotes. Jeder wird hierdurch (hypothetisch) zu einem „vernünftigen“ Autor eines Gesetzes, sogleich wird solches Gesetz auch als ein „vernünftiges“ Gesetz nobilitiert. Ein Rechtsstaat würde unter dieser Prämisse einzig ein Vehikel dafür sein, temporäre, situative und punktuelle Konsense in eine „Wirklichkeit“ zu überführen und unangreifbar zu machen. Was sollte man gegen ein solches Denken einwenden können ? Ein offensichtlicher Widerstand regt sich schon: Die politische, insoweite Herrschaft eingehegter, kontrafaktischer Konsense ist jedenfalls nur in ihrem wohl nicht denkbaren Zustand weitgehenden Fehlens von Dissens realisierbar. Die Ausschaltung oder Minimierung eines Dissensrisikos innerhalb solcher politischer (räumlicher) Ermöglichungsbedingung ist somit auch emblematisch für die Habermas‘sche Verschaltung. Freilich vermag er den Dissens als Ausdruck von Beschreibungswirklichkeit herauszurechnen; schließlich darf sich nur ein zugelassen „Vernünftiger“ im Habermas'schen Gedankenexperiment als partizipierender Urheber, dann kollektiver Programmierung begreifen. Zu verstehen ist er als unsichtbarer, ein die Moralität deligierender Pakt zwischen Normadressand und -adressat, als ein sozusagen repräsentatives und formal-pragmatisches Programmieren von Sollen und Sein-dürfen. Die Isolierung einer Programmierungsherrschaft oder -hoheit für einen Sicherheitsbegriff ist insoweit leicht herstellbar, als sie um eingegrenzte und zugelassene Vernunft oszilliert. Sie könnte sich mit Habermas' Erlaubnis, formal-repräsentativ, in einer bevollmächtigt-freien Arbeit von Präventions- und Sicherheitstechnik als Staatstechnik spiegeln.

Lutz Wingert verquickt indessen Gedanken zu einem bürgerschaftlichen „Wir“ in einem „unpathetischen (bewusst nicht hinreichenden) Ideal“. Er quittiert ein „unpathetisches Wir“ mit der Einsicht immerwährender, offener Fragen nach einer grundsätzlichen und unentschiedenen, politischen (Selbst-)Steuerungsfähigkeit und -mächtigkeit eines bürgerschaftlichen „Wir“. „(...) Die Politik in modernen Gesellschaften ist eine Politik der vorletzten Fragen, der Fragen freier Interessenartikulation und des fairen Interessenausgleichs. Wie kann sie das bleiben, ohne den gesellschaftlichen Zusammenhalt zu untergraben und in eine fatale ‚organisierte Verantwortungslosigkeit‘ für ihre Folgen zu verfallen ?“ Wingert verknüpft diese Frage mit einer anderen, der er im Fortgang nachspürt: „Verfügt eine Gesellschaft über die Instanzen, die ihr eine überlegte Einwirkung auf ihre eigenen Entwicklungen ermöglichen ?“ Wingert verschaltet sich insoweit im weiteren Verlauf mit den Gedanken von Helmut Wilke („Wir“ ist Bestandteil eines Modells politischer Steuerung) und Russell Hardin (Koordinationsmacht des „Wir“) ! Er hegt den Gedanken eines unpathetischen, bürgerschaftlichen „Wir“ und versucht vermittels einer Herleitung seiner Beschaffenheit, solchen korrigierenden Instanzen auf die Spur zu kommen.

Die Bürgergesellschaft, die einem solchen „Wir“ aufruhen soll, versteht er als ein basales, sprich vertikales Bürger-Bürger-Verhältnis; sicherlich will er hierin einen infrastaatlichen Zugang verwirklicht wissen, vermag sich ein strikt bidirektional gedachtes Staatliches oder Ziviles nicht vollends gegenseitig zu neutralisieren. Ein Verhältnis, dem ein gerade-noch-verfestigter Organisationsgrad zuschreibbar scheint. Dessen abgewandte Seite spiegelt sich in einem – zuletzt ultimativen – individualistischen Moment, dem auch das Veto, die politische oder lebensweltliche Anfechtung eines „Wir“ zugestanden wird. Ein vielgestaltiges und verfassungsrechtlich ausdifferenziertes Freiheitsrecht ist ein verständiger Ausdruck dessen. Gerade die Freiheitsrechte als Jedermannsrechte öffnen und (ver-)schliessen zugleich eine „offene“ Bürgergesellschaft, bedeuten sie dem Individuum doch vermittels ihrer inkludierenden und exkludierenden, ihrer auch disponiblen (überhaupt zulässigen ?) unmittelbaren und mittelbaren (Dritt-)Wirkungen den Weg in das semantische und geltungstheoretische „Offene“ in einer Bürgergesellschaft. Sie erlauben konversive Relationen von zulässiger und unzulässiger Mitgliedschaft (unter Akzeptanz eines transkulturellen Verwendungsvorbehaltes von Menschenrechtssätzen) und Zugehörigkeit in einem „Wir“; sie schaffen hierdurch Möglichkeiten der Korrektur eines jeden jetztzeitigen „Wir“. Ein nicht unüblicher Binnenkontrast exklusiver Zugehörigkeit wird sicherlich durch ein (diesem sich potentiell auswachsenden und niemals ausschliessbaren) Wir/Sie-Gegensatz deutlich, der eben maßgeblich von einer Negation des Gegenübers, des Anderen angetrieben wird. Die exklusive Zugehörigkeit wird nurmehr als ein exklusives Kollektiv fassbar, das von einem einheitlichen, negatorischen Wir bestimmt wird, das sich in seiner Formgebung nicht selbst befähigen kann, die Fremdheit eines Anderen oder etwas grundsätzlich Anderem zu akzeptieren. Kann ein negativistisch ausdifferenziertes „Wir“ eingedenk solcher Tatsachen entwickelt werden ? Folgt man an anderer Stelle den Feststellungen der sogenannten Böckenförde-These, so lautet die Antwort Nein. Ein Nein, das sich zuvörderst in der Einsicht erschöpft, dass es unmöglich sei, die Elemente aus Autonomie, als Form kollektiver Selbstbestimmung und einer widerstreitenden, somit kollektiven Verantwortung, die über reine Beszugssysteme individueller Verantwortlichkeit hinausginge, miteinander zu verschleifen. Wingert will das „Wir“ allerdings nicht vorschnell dem Kult des Individuums geopfert wissen, er verteidigt die Möglichkeit eines zumindest negativistisch aufgestellten, mediatisierten Wir, das aus einem verbindenden Gefühl erwächst – somit einem internen Bezugspunkt geschuldet sei: Ein kulturell archiviertes, gesellschaftliches Hintergrundsummen gemeinsamer Konfliktgeschichte (Deutschland darf nie wieder antisemitische Biopolitik betreiben !), die in ihrer übereinstimmenden Interpretation, gehörigen Aufweis darüber gibt, dass „Jede oder Jeder kraft eines bloßen So-Seins“ unantastbar ist. Es fußt auf einem Wir-Setting, das durch sachliche, institutionelle, zeitliche und kognitive Aufwertung der von Wingert ausdifferenzierten, vertikalen Dimension bürgerschaftlichen (Selbst-)Verständnisses denkbar erscheint. Als eine Form öffentlicher Meinung, die öffentliche Entscheidungsräume diffundiert, sie unter den permanenten Eindruck von Lernfähigkeit und Sensibilisierung zur Neujustierung auffordert.

Ist das unpathetische (Selbst-)Verständnis Wingerts wirklich derart unkomplizierter Art ? Kontrastiert nicht ehedem eine laienhafte Alltagsbewertung diese entspannte Sichtweise, als jene allenfalls ein manchmal, hoffentlich unkompliziertes und nur situativ zusammenschaltbares „Wir“ hergestellt wissen will. Ein Unpathetisches kristallisiert sich in Wingerts Gedanken in der Tatsache, dass durch das Überformen der individuellen (somit gesellschaftlich atomisierten) Vorstellungen von Problem- und Konfliktbewältigung, schlussendlich doch funktionabel-formalisierte Interaktionsweisen oder die Herrschaft z.B. eines rechtlich-selbstverpflichtenden Verfahrens Programmierhoheiten übernehmen. Er gesteht einer massendemokratisch aufgestellten Bürgergesellschaft zu Recht nur mittelmäßige Leistungsfähigkeiten zu: als eine solche Gelenkstelle sieht er z.B. die entwicklungsfähige Sensibilisierung und (Selbst-)Optimierung innerhalb eines „Wir“ an, vermöge dessen, sogenannten Rationalitätsfallen im politischen Entscheidungsprozess effektiver nachgespürt werden könnten. Lutz Wingerts Schlusssätze sollen indessen nicht ungehört bleiben: „Aber Mittelmaß ist besser als Wahn. Und Mittelmaß auf dem Hochgrat komplizierter gesellschaftlicher Lagen ist nichts Mittelmäßiges. Ein unpathetisches Ideal eben.“

Zwei unpathetische Auffassungen, die einem „verflüssigten“ Programmieransatz politischer Willensbildung das Wort reden, die entweder ein eingeschränkt steuerungskräftiges, aber durchaus politisch invasives oder moralisch entlastetes, repräsentiertes und allenfalls punktuell suspendierendes, eingeschränktes Wir verwirklicht wissen wollen. Beide nehmen für sich in Anspruch, Ausgeschlossene (Nicht-Mitglieder), politisch mäßig Interessierte etc. inkludieren zu können, sei es durch die symbolische Kraft, der Typizität und der Inklusionswirkung eines bürgerschaftlichen Wir als selbstregulierendes Moment oder durch die couragierte Vorannahme, dass der gemeine Bürger sich gedankenexperimentell in eine transzendental hergeleitete, politische Ermöglichungsbedingung hineinverwoben wissen will. Fraglich ist vielmehr, ob der Ausgeschlossene nicht eher als Störfall eines unpathetischen oder moralisch vernünftigen „Wir“ erkannt wird.

Das, was Habermas und Wingert von sich und anderen denken, passiert, stellt sich tatsächlich ein, gerade im Zwischen der Menschen. Es gilt aber zu beachten, dass in diesem Zwischen auch anderes geschieht, nicht nur, dass jeder Beteiligte im Zwischen oft eine Rolle spielt, zu spielen hat, sondern, dass in einer Gruppe, innerhalb einer konkreteren Personenmehrheit (unterhalb eines „Wir“) ganz anderen Grundsätzen anheim gefallen wird. Ein „Wir“ wird niemals die Existenz und die Wirklichkeitsenklave eines Stammtisches verdrängen, auch wenn Stammtischkräfte veritabel in ein solches unpathetisches „Wir“ verstrickt sein sollten. Ein „Wir“ wird stets von einer zweiten, wahrscheinlich irreduziblen Identität ergriffen sein.

Ist im Anfang eines irgendwie konnotierten und irgendwo verwirklichten „Wir“ nicht stets ein Phantasma angelegt ? Der phantasmagorische Anspruch der Wähler an eine ominpotente, alles ordnende Sicherheitspolitik ist beispielgebend: die einen Ist-Zustand bewahrende, projektiv vorausahnende und gestaltende Sicherheitsfrage, sozusagen als eine moderne Ausprägung der zu jeder Zeit formulierten Suchbewegung nach einer je konstitutiven „sozialen Frage“ in der Gesellschaft. Das nachhaltigste, unerschütterlichste Phantasma ist sicherlich das Phänomen enttäuschter, nicht vollzogener Wahlversprechen. Obschon der Wähler wiederkehrend Gewissheit erlangt, dass Wahlversprechen niemals vollumfänglich eingelöst werden, dient das medial komprimierte Wahlversprechen als wesentliche Einschätzungsprärogative für sein Wahlverhalten; es erneuert sich wundersam mit jedem neuen Wahlkampf, unter dem Eindruck eines „vielleicht ja doch“ will sich der Wähler förmlich selbst täuschen. Das große Phantasma wiederkehrender Wahlen im Bedingungseintritt einer sozusagen technisch-mathematischen Entleerung (Wählerstimmen werden zur Zahl, Zahl wird zu politischem Willen) des nur temporär besetzten Ortes symbolischer Macht. Eben jenes - vermittels sich in bloße Urnengänge auflösendes - Verständnis demokratischer Partizipation des Einzelnen, das ja bekanntlich Lippmann (schon 1920) dem Bürger in den massendemokratisch verfassten Industriestaaten als zwar regelmäßiges aber auch einziges, aktivisches und politisches Handeln beimisst (Der Einzelne ist überfordert). Er erklärt die politische Öffentlichkeit zu einem Phantom und kontrastiert in einer öffentlich-medial ausgetragenen Debatte das Denken der Dewey‘schen „Experimentiergemeinschaft“, die einer kollektiven Problemlösungsstrategie und einem korrespondierend generiertes Wissen das Wort redet (Der Einzelne ist nur insoweit überfordert). Es geht hernach um die auch hier relevante Detektion von Potenz, Möglichkeit und Unmöglichkeit responsiven Einflusses eines „Wir“ auf z.B. parlamentspolitische Gesetzesarbeit.

II.

Wie gestaltet sich aber ein modernes, aktuell verschliffenes (wohl wieder erkennbares), gesellschaftliches „Panoptikum“ aus Sicherheits-politik und Sicherheitsforschung einerseits, und einer je unter- schiedlich sich versicherheitlichenden Gesellschaft andererseits ? Neuere Detektionsversuche lösungsbedürftiger Sicherheitsfragen versammeln sich aktuell unter dem Emblem einer die Wissenschaften sympathisch akzentuierenden „Sicherheitskultur“, die den Wandel nationaler und globaler Sicherheitsverständnisse und -architekturen einzufangen sucht. Dem umgreifenden, nach eigenem Verständnis ihrer Vertreter zulässigen, wohl auch semantischen Anspruch an ein Forschungsdesign aus verbindungsfähigen Begriffen der Sicherheit und Kultur, wird ein nicht übliches Maß an Synergieleistung zugetraut. Es ruht in erster Linie dem Fazit auf, dass aktuelle Sicherheitspraktiken, schon kraft ihres So-Seins, durch ihre eigene Art, Sicherheit zu denken, sichtbare und unsichtbare Unsicherheit nicht nur konstitutiv voraussetzt, sondern erst hierdurch zur Realität werden lässt. Denkt man hiernach (beispielhaft als Ausprägung eines multidimensionalen Sicherheitsverständnisses) Sicherheits- und Kriminalpolitik insoweit selbstreferentiell, so entstehen hieraus stets neue Formen von Unsicherheit, die es gilt, in den „sicherheitskulturellen“ Ansatz zu rücken. Dieses Paradox der Sicherheitsgenerierung setze sich denklogisch und konsequenzreich innerhalb dreier, stets reziproker Wandlungsprozesse in der Gesellschaft fest, die zuvörderst von Christopher Daase in einem Dreier-Schritt projektiert werden. Dieser umfasst 1. eine thematische Erweiterung des Sicherheitsbegriffs in Form eines weit verstandenen, multidimensionalen Sicherheitsverständnisses; 2. eine daraus resultierende Überforderung der jeweiligen Bereichspolitiken (unübersichtliches Gefüge an Sachmaterien) und 3. eine sekundär resultierende Legitimationskrise der gouvernementalen und intergouvernementalen Sicherheitsinstitute. „Der Wandel des Sicherheitsverständnisses verursacht einen gesellschaftlichen Wandel und umgekehrt. Dieser Wandel geht weit über eine sprachliche Veränderung durch Versicherheitlichung hinaus. Was sich verändert sind kulturelle Sichtweisen und Praktiken.“ Die Selbsterkenntnis Daases und anderer Vertreter einer so zugelassenen „Sicherheitskultur“ als Forschungsansatz lässt erkennen, dass die Beschreibungsebene „sozialer Tatbestände“ eben nicht nur mit den Zustands- und Bewegungswirklichkeiten empirisch-sozialtechnologischer Moderation eingefangen werden können, sondern maßgeblich kontingenten Brüchen ausgesetzt ist: „Sicherheitskultur“ erfahrbar machen, bedeutet demnach, einen konzertiert-interdisziplinären Fokus in seine je gegenseitigen Beziehungsmomente zu zerlegen. Unbeantwortet bleibt – förmlich bei jedem Vertreter dieser „Sicherheitskultur“ - die Frage, ob eine solche Überforderung der Politik nicht nur zwangsläufig, sondern auch in einer spezifischen Bewusstwerdung erforderlich – also schon wünschenswert ist, weil sie konstitutiv, für ganz andere Dinge wichtig ist. Nachfolgend sollen aber zunächst zwei naheliegende Autorenschaften in einer denkbaren Zusammenschaltung von Sicherheitspolitik und Sicherheitsforschung, wohlgemerkt in gehöriger Kürze vorgestellt werden: Zwei aktuelle Beschreibungsformen von Sicherheitspolitik, die eine „sicherheitskulturelle“ Bewegung einfängt, die nichts mehr mit den ursprünglichen Präventionsmomenten, den ersten Konzepten klassischer Gefahrenabwehr gemein hat; vielmehr einer Auffassung von Prävention 2.0 (Denninger) aufsitzt, die sich in den theoretischen Handlungsfeldern gesellschaftlicher Resilenz und Precaution sowie sogenannter (praktisch-theoretisch anschlussfähiger) Boundary Objects spiegelt.

Ein Beispiel für einen modernen „sicherheitskulturellen“ Ansatz ergibt sich aus dem noch unabgeschlossenen Versuch einer explorativen Herleitung von sicherheitspolitischen Entscheidungslogiken bei Kahl/Hegemann. Die Grundannahme der beiden Autoren wird vermittels unterschiedlicher Beobachtungen durch einen bloßen Zweifel befördert; der Erkenntnis, dass das Handlungsinstrumentarium denkbarer politischer Akteure sich lediglich innerhalb bestimmter, z.B. rechtlich selbstverpflichtender oder rechtsstaatlich zulässiger Bahnen kanalisiert, entlang derer bestimmte, zumeist aktuelle Bedrohungsszenarien in den Blick genommen werden, während andere Lösungen erst gar nicht mitgedacht werden, zu einem zulässigen Begleitwissen oder gar Bestandteil einer Eingriffsrechtsklaviatur werden können. Der augenmerklich interne Bezugspunkt dieser Grundannahme wird hierbei maßgeblich von einer Art überschießenden Innentendenz angetrieben: Diese erschöpft sich eben nicht in der mannigfach dargebotenen policy-orientierten Kritik einzelner Maßnahmen (Wie weit darf ein Rechtsstaat im Rahmen der Terrorismusbekämpfung gehen ?), sondern knüpft nurmehr an deren Entstehungs- und Auswahllogiken an, die einem wesentlich instabileren, unstrukturierteren sozialwissenschaftlichen Anspruch genügen dürfen.

Die erste Entscheidungslogik setzt insoweit eine vorrangig national ausgestaltete Sicherheitspolitik unter den Eindruck kulturbedingter Praxis, die weniger Tatsachenwahrheit; nicht bloßes Herstellen einer strategisch entwickelten und umgesetzten Agenda, sondern ein unbestimmbarer und ungesehener, also weicher Einflussfaktor sein soll. Peter Katzenstein gibt einen exemplifizierenden Aufweis darüber, warum in einer Gesellschaft ein gewisses Portfolio an Maßnahmen wiederkehrend einschlägig wird, um spezifischen Bedrohungen entgegentreten zu können. Er stellt fest, „dass entsprechende Faktoren eher auf der nationalen gesellschaftlichen als auf der internationalen Ebene wirken, primär nicht-materielle Einflüsse wie Normen, Selbstbilder, historische Erfahrungen oder habituelles Verhalten beinhalten und besonders geeignet sind, unterschiedliche Politiken unter ähnlichen Rahmenbedingungen zu erklären“ (abweichende Ansätze in anderen Staaten). Das sicherheitskulturelle Rubrum seiner wohl vergleichenden Studie zu den Politiken zur Terrorismusbekämpfung in Japan, Deutschland und den USA verbrieft sich indessen in einer Konsequenz aus „institutionalized norms and commonsense practice“: Der Autor ordnet das sicherheitspolitische Reaktionsschema der Gesetzgebung in Deutschland nach dem 11. September 2001 (Sicherheitspaket I und II) als ein die Hoch-Zeit der RAF adaptierendes, mitunter einzig repititierendes staatliches Konzipieren (als legalistisches und technologieintensives), das „in seiner Gesamtheit nicht bewusst gewählt wurde“ (Dieser Auffassung Katzenbergs kann auch widersprochen werden). Es geht hierin nicht um einen vermittels zugelassenen (oder strategischen) Auswahlfeldern ausstaffierten Diskursraum, sondern um eine von (auch) unreflektierten Faktoren ergriffene Praxis, die durch spezifische Traditionen der Bedrohungskonstruktion und -rekonstruktionen oder mediale Vorbilder ein Verständnis des Realen durchdringt (z.B. ein sich stets aktualisierender talionistischer Zugang zu einem landläufigen Verständnis von Bestrafung). Ein atomisiertes Gefüge aus Einschätzungsprärogativen führt insoweit zu einer Praxis des Entscheidens, die daraus resultiert, wie Wahrnehmungen und Vorstellungen in kulturelle und infrastaatliche Bezugssysteme eingebettet sind. Hieraus resultierende Ermöglichungsräume für ein Entscheiden sind existent, obschon sie in der gewöhnlichen Form von Determiniertheit und/oder Finitheit weder theoretisch noch methodisch nachweisbar sind (in vielen Fällen nicht einmal erklärt werden können). Sie koinzidieren schlichtweg schon durch ihr Erscheinen mit dem Umstand ihrer nicht näher erklärbaren Existenz – sie können also nicht Ergebnis von Erkenntnis sein, sie kommen nicht durch eine Passage zwischen Erkenntnissubjekt und -objekt zustande. Das, was im Zwischen der Menschen erschien, erscheint und sich reproduziert: Jenes vordefinierte oder prädispositionierte Gepräge, das jeder Personwerdung entgegen geschleudert wird – es ungesehen beeinflusst. Gegenteiliges würde indessen kalkulierte, von solcher Praxis nicht ergriffene, „reine“ Sicherheitstechnik als Staatstechnik abbilden.

Unterstellt man einen derart präformiert prozessierenden Raum kulturellen Aus- und Einprägens, so lässt ein aktuelles und vergangenes Handeln politischer Entscheidungsträger sicherlich anderes vermuten: Einen Primat bewusst strategischen und interessenpolitisch geleiteten Hinwegsetzens über die diversifizierten Erscheinungen einer unbewussten und invisibilisierten kulturellen Praxis. Das politische Kalkül bedingt rationaler Akteure als eine strategisch-kulturelle Leistung, in Form einer unbeeinflussten und potentiell agonalen Agenda unter vielen, die eben nicht von einer Sicherheitspolitik als bloße kulturelle Praxis eingeholt werden kann. Die zweite Entscheidungslogik eröffnet somit das Verständnis von Sicherheitspolitik, dort vorliegend die Terrorabwehr als Nutzung eines Möglichkeitsraumes. Ein solches exemplifizierender Ermöglichungsraum erscheint prototypisch in den sicherheitspolitischen Aushandlungsprozessen nationaler, inter- und supranationaler Gesetzgebung. „Hier geht es wohl um Auseinandersetzungen über die ‚richtige‘ Wahrnehmung von Bedrohung als auch die Durchsetzung der eigenen Maßnahmepräferenz. Bei der Frage, wie der Möglichkeitsraum beschaffen ist und warum, wie und wann Akteure bestimmte Präferenzen durchsetzen können, scheint uns im Kampf gegen den Terrorismus von besonderer Bedeutung zu sein, dass angesichts erheblichen Handlungsdrucks und der mit dem Terrorismusrisiko einhergehenden Ungewissheit besondere Gelegenheiten für eine sehr weite Definition der Agenda und ausgreifende Rechtfertigungsnarrative vorhanden sind.“ Die Gelegenheiten politischer Aspiration flirten mit den Ermöglichungsbedingungen der Krise einer terroristischen Bedrohung. Bisher allenfalls projektierte Eingriffsintensitäten zum Nachteil der Grundrechtsträger können indessen durch eine Zusammenschaltung mit anlassbezogenen, reaktiven und rechtsstaatlich unbedenklichen Sicherheitspolitiken förmlich ausprobiert werden – d.h., im Rahmen von konzertierten Maßnahmenbündel ungesehen, zumindest widerspruchsarm für einen Normadressaten plötzlich konsumabel werden (Inkohärenz eines Sicherheitspaketes). Es geht also um das partei- und interessengebundene Hell-Feld von Umdeutung und Relativierung, von Entgründung und Neugründung von sicherheitspolitischen Vorstellungen und den diesen aufruhenden Sicherheitstechniken. Ein Streit um Deutungshoheit, der in seinem Ende stets offen bleibt; ein sicherheitspolitischer Wandel muss indessen nicht denklogische Konsequenz einer bewussten Einmischung, einer nachvollziehbaren Durchdringung des Verständnisses politischer Realität sein (Eine invisbilisierte kulturelle Praxis kann sich also auch fortgesetzt gegenüber einem politischen Aktionismus behaupten !). ‚Bewährte‘, nicht immer zwingend beruflich geschulte, zumindest etablierte Sicherheitsingenieure in den hier denkbar auftretenden Ministerien, Behörden und in der Sicherheitsindustrie (Produkte zur biometrischen Erfassung als Beispiel) halten bekanntlich im Bedingungseintritt einer Bedrohung/Ausnahmesituation vielgestaltig institutionalisierte, legalistische oder wenigstens ‚legitime‘, zumeist technologieintensive Bewältigunsstrategien vorrätig. Es liegt der Gedanke des Garbage Can-Modells zugrunde: Einer Bevorratung mit uniformen Lösungsstrategien, die losgelöst von spezifischen, aktuellen Bedrohungsszenarien in einem schon präkognitiven Verständnis abrufbar gehalten werden (was sicherlich auch potentiell polizeistaatliche, extralegale als legitime Gedankenspiele einschließt: sogenannte vorschießende und nachgeschobene Legitimität als Substitut für Legalität). Der Einfluss einer bürokratisch-administrativen Logik auf situative Schemata sicherheitspolitischer Reaktion ist zweifellos stark. So kann Sicherheitspolitik als Einstellung und Mentalität, als Ausdruck von Erfahrungswissen oder bloßer Opportunität gelesen werden. Zumindest ist hierin detektierbares Organisationsverhalten anhand solcher nunmehr herleitbarer, irreduzibler „Pfadabhängigkeiten“ eindeutig identifizierbar: Es verdankt sich immer des Rückgriffs auf Schablonen und Stereotype der Vergangenheit.

Eine dritte Entscheidungslogik sicherheits-politischer Akteure heben die beiden Autoren auf eine zumindest symbolisch-negativistisch ausgestaltete Ebene politischer Programmierung, als einen Ort erratisch aufgeladener, infiniter Räume (siehe v.g. Absatz), die eine „Waffengleichheit“ der Symboliken von Terrorismus und kontrastierender Terrorismusbekämpfung aufzudecken suchen. Es geht um die Beachtung einer Zwangsläufigkeit denklogischer, wechselseitig abhängiger Symbolik, die auf beiden Seiten ein Auswahl- und Entscheidungshandeln beeinflusst. Kahl und Hegemann detektieren die politische Terrorismusbekämpfung also in ihrem Ausdruck symbolischen Handelns: „Es ist eine etablierte Annahme der politischen Kommunikationsforschung, dass politische Akteure zur Generierung öffentlicher Legitimation und Unterstützung für ihre Politik versuchen, die normativen Überzeugungen, Interpretationen und Erwartungen der Öffentlichkeit zu antizipieren und durch daran ausgerichtete symbolische Politik zu bedienen, ohne damit notwendigerweise auch die Lösung des Problems im Sinn zu haben.“ Das basale, kommunikationsstrategische Hintergrundrauschen terroristischer Akte wird vornehmlich von einem Spiel mit psychologischen Effekten ergriffen (Angst, latente Unsicherheiten in der Bevölkerung evozieren etc.). Nicht weniger bedeutsam sei es den beiden Autoren zufolge, dass Maßnahmen, die sich als Antwort auf diese besonderen „Notstände“ begreifen, selbst einer Kommunikation und insbesondere einer gehörigen Signalisierung durch symbolisches Handeln anheim fallen.

In einem Stakkato ausgedrückt, heißt solches:

  1. Die Antizipation von normativen Überzeugungen in der Gesellschaft; die zeitnahe Bereitstellung von Interpretationsfolien, die vermittels verschiedenster tauglicher Werkzeuge spezifisch lösungsbedürftige Erwartungshorizonte in der Gesellschaft spiegeln: Hierbei geht es im Grunde um die vorauseilende Bereitstellung von politischen und gesellschaftlichen Strategien in Form deskriptiver Vereinfachung, die a) für den Bürger nachvollziehbar sind und b) realistische Bewältigungsstrategien für ein bestimmtes Sicherheitsthema faktisch in Aussicht stellen (oder solche zumindest erfolgreich imaginieren können) und die überdies c) als interdisziplinäre Projektionen in stringente und anerkannte Induktionsmodelle eingebettet werden können.

  2. Werden solche außerordentliche terroristische Akte wissenschaftlich als sogenannte dread risks darstellbar, so unterteilen sich diese u.a. in einer Verschaltung zweier Einschätzungen sozialpsychologischer Analyse: Die empirische Gewissheit, dass a) Menschen dazu neigen, latente terroristische, als seltene Bedrohungsszenarien (dem Empfinden nach wie eine schwer kontrollierbare Naturkatastrophe) zu überzeichnen und solche mehr zu fürchten als die grundsätzliche, quantitativ wahrscheinlichere Risikobehaftung des Alltages und jene, die sich über einen längeren Zeitraum materialisiert; sowie b) die Erkenntnis, dass die Furcht vor Anschlägen zwar abnimmt, je länger diese zurückliegen, hierbei jedoch nicht der Beobachtung „beraubt“ würde, dass Menschen eingedenk übergroßer, rarefizierter terroristischer Eskalation ebenfalls dazu neigen, ihr Bedürfnis nach Sicherheit über das nach grundgesetzlichen Abwehrrechten gegenüber dem Staat zu stellen.

  3. Die programmatische Auffassung Symbolischen Handelns als Sprechakt und Handlung ! Es gilt hernach zwei auseinander brechende Bewegungswirklichkeiten zu beschreiben: a) die eines Signals sendungsbewusster Entschlossenheit politisch Verantwortlicher (Adressat wäre z.B. der Terrorist u.ä.) und b) die der (mitunter formelbehafteten) Symbolisierung von Führungsstärke im Kampf gegen solche Ausdrücke von Unsicherheit, verstanden als latente und gemeinsame Bedrohung für Staat und Gesellschaft (Adressat ist also die Bevölkerung). Die hiermit verbundenen Wirkungen duplizieren sich freilich in den anerkannten Feststellungen allgemeiner politischer Kommunikationsstrategie: Einer „breiten“ Delegitimierung des auch politisch, religiös und gesellschaftlich konnotierten Ansinnens von terroristischen Einzeltäter und Personenmehrheiten; der Angstreduktion und die Relativierung von Bedrohung in der Gesellschaft, die kommunikationsstrategisch vermittelte Aufrechterhaltung des „Normalen“ (die Alltagsbewältigung unter der Eindrücklichkeit einer Placebo-Politik - im Ausdruck von sichtbaren Maßnahmen der BOS).

Warum bedarf es einer Bewusstwerdung solcher „weicher“, mitunter ungesehener Einflussfaktoren ? In erster Linie ist es einer offensichtlichen Evidenz geschuldet: Die hohe Frequenz implementierter (vielgestaltiger) Sicherheitsgesetze, die häufig einen Eindruck eines dann zwangsläufig wissenschaftlich entkoppelten Reflex-Umbaus in der Sicherheitsarchitektur befördert, kann in ihrer Wirksamkeit nur unzureichend, insbesondere nicht immer methodisch eingefangen werden. Überdies wird in der Literatur einhellig festgestellt, dass derartige Evaluation, gar Meta-Evaluation nur wenig nachgefragt wird, was letztlich fundamental für jede Form legislativer Programmierung (oder Fortschreibung) sein sollte.

In einer Verkapselung von Vorläufigkeit ihrer Selbstverständnisse führen die Autoren folgendes aus: In praktischer und normativer Hinsicht ermöglicht das Wissen um die strukturellen Beschränkungen funktionalen Handelns gegenüber dem Risiko Terrorismus und die Eingriffstiefe vieler Maßnahmen keine direkten Empfehlungen für alternative Maßnahmen. Es legt aber eine größere Zurückhaltung politischer Entscheidungsträger, eine bewusste Reflektion letztlich ohnehin unvermeidbarer Restrisiken und die Befriedigung legitimer Sicherheitsbedürfnisse durch weniger intrusive Maßnahmen nahe. Alles in allem reden wir somit nicht einem Determinismus das Wort, der das Subjekt hinter Strukturen verschwinden lässt, sondern gehen davon aus, dass die Subjekte im Vollzug sozialer Praktiken diese Pfade kreativ fortführen und modifizieren können.

III.

Ein Beispiel für eine staatszentristische Kritik moderner Sicherheitspolitik findet sich in Günter Frankenbergs „Staatstechnik“, als eine sich an Staatstechniken messende und bewährende, politische Sicherheitstechnik. Eine so verstandene Sicherheitstechnik als eine Engführung von Staatstechnik organisiert sich zunächst durch die historisierte Verschleifung von drei (vier) Methoden (Ein Durchdringen vermittels der Hobbes‘schen, Locke‘schen, Machiavelli‘schen sowie kontrastierend der Foucault‘schen Methode), die je den Sicherheitsstaat unterschiedlich denken und schlichtweg „überlebt“ haben; noch heute nicht bloß situativ Pate stehen für ein aktualisiertes Sicherheitsdenken, sondern auch durch einen Zugang zu einer Staatstechnik reifizierbar werden, der sich neben anderen Verständnissen beispielhaft als „Einstellung“ oder „Mentalität“ spiegeln ließe.

Die Untersuchung Frankenbergs arbeitet demnach mit einer letztlich hermetisch isolierten Vorbedingung „Staat“. Diese staatstheoretische Zentrierung Frankenbergs bedarf des Ausgangspunktes „Staat“, nicht denklogisch des Umstandes eines gleichberechtigten Gesellschaftlichen, eines zivilen, zumindest infrastaatlichen Verständnisses von Staat. Jenes Vorverständnis bringt demgemäß eine Verlegenheit des Autors zum Ausdruck: seine Herleitung scheint einem gesellschaftlichen Nullum zu entwachsen, er verwebt die vier Methoden der Staatstechnik aus einem gesellschaftlichen Nichts zu einem relativ freischwebenden, zwangsläufig unvollständigen Zustand von „Staat“ (Trotz einiger „Ausflüge“ in eine gesamtheitliche, gesellschaftlich verflüssigte Art und Weise politischer Machtausübung fällt der Autor wieder zurück in ein staatszentristisches Denken). Zum Gesichtspunkt „Staat“ bei Frankenberg: Es ruht in einer Entwicklungslinie, die das staatstheoretische Selbstverständnis seit dem Deutschen Kaiserreich nachzeichnet (die Allgemeine Staatslehre verrechtlicht; sie stirbt sozusagen als Disziplin) und die sich unter dem Eindruck einer bewussten staatstheoretischen Abstinenz in der Bundesrepublik, das höchst ausdifferenzierte Verständnis von Staat zu Grunde legen wissen will (die Staatslehre ist jetzt nur noch bloße juristische Disziplin). Letzteres illustriert insoweit eine „staatstheoretische“ Neugründung, als durch das Inkrafttreten des Grundgesetzes ein Staatsbild aus Staatszielen und Verfassungswerten verwandelt, transformiert, also juristisch vollends domestiziert wird. Der moderne Staat moderiert indessen Gesellschaftliches, vermag solches einzuhegen und zu steuern. Ein solches Denken verweist ein Politisches in die zweite Reihe: der moderne Staat geht dem Politischen voraus und konstituiert sich in seiner erschöpfenden Sprache des Rechts - unterschieden in seinen denkbaren Verschaltungen von Rechtserzeugung (demokratisches oder autoritäres Programmieren) und -anwendung (rechtsstaatlicher oder ausnahmerechtlicher Vollzug). Ein Politisches ist hiernach ein Handlungs- und Interventionsfeld von Staatlichkeit. Nicht zuletzt ist das Ansinnen des Autors dadurch nicht weniger honorabel ! Er stellt sich selbst eine „doppelte Aufgabe, nämlich einerseits die Ambivalenzen von Rechtsstaatlichkeit auszuleuchten und zugleich die demokratisch-rechtsstaatliche Legalität (unüblich praxisbezogener als bei anderen Autoren) gegen ausnahmerechtliche Denkfiguren und Praktiken zu verteidigen“. Frankenberg liefert trotzdem brauchbare Hinweise über eine mögliche – hier relevante – Autorenschaft sicherheitspolitischen Konzipierens und Programmierens, das nicht einzig Produkt von Staatlichkeit sein soll.

Über den Aufweis eines „Wie“ und „Wer“ der Programmierung eines übergreifenden Sicherheitsbegriffs stellt der Autor das jüngste legislative Reaktionsschema unter den Eindruck eines von ihm dargelegten parasitären Verhältnisses von rechtsstaatlicher (normaler) Ordnung und normalisierter Ausnahmesituationen. Will man diese vordergründig inkommensurable Verbindung in ein überschaubares Bild versetzen, so ließe es sich folgendermaßen zusammenfassen: Ein ins „Staatliche“ zurückgeworfenes parasitäres Konzipieren und Programmieren, das in der Schnittmenge zwischen einer rechtsstaatlichen Staatstechnik als Inbegriff der Normalität und Normativität im Staat-Bürger-Verhältnis (1) und einer wiederkehrenden (dynamischen und beschleunigten) Konstitutionalisierung des Notstandes/Ausnahmezustandes (2) stattfindet. Die beiden zugelassenen Teilmengen dieser hybridisierten Staatstechnik werden indessen von einer erläuternden Arbeitsfolie überdeckt, vermöge deren die Zuordnung aktueller Sicherheitstechniken zu klassischen Staatstechniken her- und vorgestellt wird (Das je aktualisierte Denken von Sicherheit nach der Hobbes‘schen Methode etc.). Letzteres organisiert sich zudem über ein additives, drittes Kriterium, das je von einem alternierenden Verständnis oder den basalen Formen von Machtausübung eingefangen wird: Von der Vorstellung absoluter Machtausübung, als purifizierte Regierungstechnologie wie im Fall von Machiavelli, der Modi kontinuierlicher Machtausübung in den unterschiedlichen Bildern des Leviathans bei Hobbes und Locke sowie einer modernen Auffassung diskontinuierlicher Machtausübung in Form von Wissensapparate und -dispositive in der Massendemokratie bei Foucault. Der Aufnahmepunkt Foucaults bedeutet heutigen Sicherheitstechnikern oder -ingenieuren insoweit schon den Weg, als er die bewusste, schon freizügig anmutende Amalgamierung einer Hobbes‘schen und Locke‘schen Methode widerspruchsarm für etabliert hält. Frankenberg verquickt zwar eine Methode nach Hobbes und Locke zu einer regierungstechnologischen Methode Foucault, dieser legt aber in seinem Verständnis keineswegs etwas „Staatszentristisches“ zugrunde; gerade der Staat ist nicht Erster Spieler diskontinuierlicher Machtausübung bei Foucault. Foucaults Analyse verflüssigter Disziplinarkontrolle in der Massendemokratie bezieht sich auf einen Machttypus, den er je projektbezogen genealogisch herleitet und insbesondere zeitdiagnostisch mit einer je alternierenden Begrifflichkeit erklärt wissen will: Sicherheit sei hiernach Dispositiv der Macht, sei Mechanismus der Macht, sei Technik der Macht, sei gleichsam einem Regieren intern, schlussendlich geht sie in seinem Verständnis von Gouvernementalität auf – den „Staat“ versteht er als einen beweglichen Effekt von mehreren Gouvernementalitäten. Eine aktuelle, auch evidente legislatorische Bewegungswirklichkeit spiegelt sich mithin - in einem transponierenden Verständnis – in der Forderung nach einem regulatorischen „Mehr an Hobbes“ und einer dann illiberalen Valenz eines „Weniger an Locke“. Jedoch wäre dieses Majoritär-Werden einer so von Frankenberg detektierten Hobbes‘schen Gelenkstelle eher eine solche, die sich durch eine Luhmann‘sche Intervention erweitert wissen würde: „Die Souveränität beginnt mit der Selbstexemtion des Souveräns (des Staates)“. Er wird nicht Vertragspartner (wie bei Hobbes) ! Insoweit erhellt sich auch das Foucault‘sche Verständnis des Staates (der Sicherheit garantierende Souverän bei Hobbes) als bloßen Einheitseffekt eines wechselseitigen Autorisierens „verschreckter Untertanen“.

Wie programmiert sich Sicherheit in der o.a. Schnittmenge ? Zuallererst versucht Frankenberg durch die Darstellung von zwei sozusagen anthropozentrischen Konstanten, das Hintergrundsummen einer modern und dynamisch verschliffenen Tendenz legislatorischer Versicherheitlichung zu vertexten: 1. Vermittels eines Spiels mit der Vielgestaltigkeit des Phänomens „Angst“ und 2. der darauf aufruhenden Verschiebung von Mindestanforderungen an ein Verständnis von „Sicherheit“, sprich eines nachweisbaren Übergangs von einem kognitiven zu einem existenziellen Sicherheitsbedürfnis.

Zu 1. Die schier ausufernden „Angstkapitel“ von Frankenberg vermessen penibel einen denkbaren gesellschaftlichen „Angstraum“, in dem Ängste als Kategorien politisch-rechtlicher Analyse dienbar gemacht werden. Beispielgebend sind insoweit seine Darstellungen von sozusagen „gesetzlich“ befohlenen, korrespondierenden kategorialen Motoren, die eigentlich bidirektionale sein sollten: Angstrecht und Metalegalität – Angstrecht und Metagrundrechte – Metagrundrechte und darauf aufruhende neue Staatstechnik: Er konzipiert ein gesellschaftliches System neurotischer Angst, das sich als Drohsystem „struktureller Angst“ engführen lässt. „Aus einer diffusen, auf indirekte Verhaltenssteuerung angelegten Bedrohung können folgenreiche Verhaltensänderungen resultieren: So können nicht greifbare Bedrohungen Einschüchterungsgefühle und Angstlähmung nach sich ziehen, die sich in der Überanpassung an das vermeintlich Gebotene und dem Bemühen manifestieren, um keinen Preis aufzufallen.“ Das konzeptionelle Zwischenziel Frankenbergs ist es freilich, Angstreaktionen herauszuarbeiten, die dem Effekt einer Infantilisierung des Normadressaten, des Staatsbürgers das Wort reden. Insbesondere eröffnet er hierbei ein je individualisierbares Assoziationsfeld, das potentiell von einer veritablen gesellschaftlichen Aphasie, mit der Folge eines Verzichts originärer Rechtsbetätigung oder einem grundsätzlichen politischen Quietismus besetzt werden kann: Der „autoritäre Charakter“ (Adorno) schreibt schlussendlich keine Individualverfassungsbeschwerde, er lehnt sich an Autoritäten an. Dennoch vermögen gerade ubiquitäre Bedrohungen wie die terroristischer Eskalation (die in ihrer sicherlich stets neurotischen Einfärbung nicht unerheblich von Realängsten erfasst wird) auch das Gegenteil vielgestaltiger Angstlähmung zu evozieren ! Es sind Formen von Aktionismus, die a) rechtlich-gesellschaftlich eingehegt sind, zumindest als eine „Flucht nach vorne“ zulässig erscheinen; denen aber b) auch ihrerseits Ausdrücke politischer und rechtlicher Entgrenzung intern sein können, die in einer stets denkbaren Projektion und Dynamik durchaus terroristische Konturen herausbilden kann (An diesem Punkt denkt Frankenberg im Grunde modern, hantologisch, letztlich postfundamental).

Frankenberg stellt seinem Leser solche „Unfreiheit von Angst“ im Rechtsstaat kurzum als einen maßgeblichen Freelancer der Versicherheitlichung eines (dann kupierten) Rechtsstaates vor. Die Camouflage manipulativen Handelns, das programmierende Handeln und Intervenieren zu tarnen, ohne das rechtsstaatliche Mandat des Staates gefährden zu müssen, ist hernach Nebenprozess eines zeitgenössischen legislatorischen Umsetzungshandelns. Es schreibt sich insoweit keine konstitutive Frage der Rechtfertigung oder der rechtlichen Grundlagen, sondern die Verschleierung einer Manipulation der Ängste und Feindbilder - je in ihrer spezifischen, auch erratischen Aufladung und symbolischen Mystifikation – in ein neues, sozusagen sanktioniert rechtswidriges politisches Register ein: Nur solches vermag rechtliche Tätigkeitsgrenzen und Eingriffsschwellen ungesehen aufzuheben. Es geht um die Art und Weise eines „Verkaufens“ uneigentlich rechtsstaatlich konsumabler Sicherheit wider einer denkbaren infrastaatlichen Empörungskultur. Ein Einsprengsel: solches Konjunkturprogramm „Sicherheit“ könnte zum Beispiel durch ein Vermittlungsprogramm (v)erkauft werden: Was ermöglicht in Zukunft das Institut eines Handelns pro magistratu durch Jedermann – die Festnahme durch Jedermann ? Warum bedarf es dann noch einer hochgradig ausdifferenzierten Eingriffsrechtsklaviatur ? Angstrecht und Metalegalität wird zukünftig nicht mehr hinreichend sein, um „weit vorgelagertes“ Eingreifen des Staates gegenüber den Bürgern „verkaufen“ zu können; mitunter sollte die Re-Formalisierung eines historisch verworfenen Staatshaftungsrechts sondiert werden !

Zu 2. Von einer gesicherten Unsicherheit (im Rechtsstaat) zu einer unsicheren Sicherheit (im Präventions- und Sicherheitsstaat); von kognitiver zu existenzieller Sicherheit ! Solcher schleichender Übergang wird positiv konnotiert: Mit dem Mittel der „Verharmlosung“, so diagnostiziert Frankenberg. Wie versteht man dieses als Leser ? Ein existentielles Sicherheitsverständnis wird sozusagen neu designt, neu entwickelt, in einer invisibilisierten Bewusstwerdung für das Bewusstsein konsumabel, sozusagen durch Normalisierung zum Standard erhoben. Es soll sich als Qualifizierung einer kognitiven Sicherheit verstehen, sich unter Ausblendung/Verdeckung eines tatsächlichen qualitativen Stufenverhältnisses als positive Transformation selbst „verkaufen“. Sprich, es findet keine proportionale Ko-Evolution zwischen einer dynamisch-hyperpräventiven Sicherheitsgesetzesarchitektur und einer korrespondierenden kontrollarchitektonischen Anpassung der Rechtsmittelapparate statt, sondern nur eine solche von Gesetzesarchitektur und einem neuen Verständnis von Sicherheit (existentielle Sicherheit); letzteres Verhältnis bedarf nicht der Änderungen innerhalb zugestandener originärer Rechtsbetätigung durch das Individuum. Grundvoraussetzung hierfür ist, dass Freiheit und Sicherheit (plötzlich) nunmehr unter den Eindruck einer normativen Gleichrangigkeit gestellt werden, vermittels derer ein dies umsetzendes „Bekämpfungsrecht“ geschaffen werden kann (Es ist sozusagen unabdingbares politisches Fundament). Das ist wieder reines Foucault‘sches Denken: „In diesem vordergründigen Spiel des Spannungsverhältnisses von Freiheit und Zwang (Sicherheit) werden stillschweigend Regeln gesetzt, die den gouvernementalisierten Staat erst ermöglichen“ – das wäre eine an der Machtanalytik Foucaults geschulte Perspektive ! Eine solche normative Gleichrangigkeit von Freiheit und Sicherheit suggeriert eine wechselseitige Abwägungsfähigkeit zweier, dann gleichrangig zu denkenden Prinzipien rechtsstaatlicher Normalität, die einer vergleichbaren Optimierungslogik folgen würden (also eine Form praktischer Konkordanz widerstreitender, kollidierender Grundrechte, die auch den Staat zum Träger des die Freiheit kontrastierenden Grundrechts auf Sicherheit werden ließe). Die Implementierung, die infrastaatliche „Salonfähigkeit“ eines Bekämpfungsrechts bedarf insoweit eines übergreifenden, dann persuasiven Rechtfertigungsnarrativs, das sich jüngst in eben dieser Etablierung eines „Grundrechts auf Sicherheit“ spiegeln soll (Die Darstellung der unsäglichen, ausufernden Explosion von Literatur zu diesem Thema soll an dieser Stelle nicht geleistet werden.). Dieser rhetorische, rechtsstaatliche Begriffe semantisch verzerrende Spurwechsel von der „rechtsstaatlichen Grammatik der Freiheit zur ausnahmerechtlichen Logik der (stets maßlosen) Sicherheit“, die genannte Aufwertung des kognitiven zu einem existentiellen Sicherheitsverständnisses wird nach Frankenberg insbesondere dadurch maskiert, dass eine formal tabuisierte Folterhandlung hinter semantisch-verwässernden Begrifflichkeiten scheinbar eskamotiert würde (beispielhaft büßt die sogenannte neu gedachte „selbst verschuldete Rettungsbefragung“ als Präventivfolter ihre tatsächliche Kontur einer physisch oder psychisch vermittelten Form von Gewalt nicht ein, es bleibt das Emblem mittelalterlichen, inquisitorischen, sprich das Signum peinlichen Befragens erhalten). Dem Selbstverständnis dieser entworfenen Quasi-Ethik zufolge, findet demnach gar kein Spurwechsel statt – es gehe dieser auch fortgesetzt um die Aushandlung eines bürgerschaftlichen Anspruchs kognitiver Sicherheit. Es firmiert insoweit als eine Form zulässiger, rechtsstaatlicher Suchbewegung, die neue Referenzpunkte eines Sicherheitsdenkens entwickelt, zumindest originäre wie eine inhaltliche Bestimmtheit von Gesetzeswortlauten, einen effektiven Rechtsschutz oder ein zeitliches und sachliches Übermaßgebot etc. situativ suspendieren darf. Problematischer noch ! Sie dienen nurmehr für eine Neugründung, für eine das Rechtsstaatliche zwecktauglich adaptierende Arbeitsfolie, die eine (kognitive) Sicherheit aus dem Dienst an der Freiheit entlassen würde.

Aus zurückliegenden Ereignissen und Veränderungen der Sicherheitsarchitektur (sogenannte erste Krise des Rechtsstaats in der Bundesrepublik) extrahiert Frankenberg eine sich scheinbar repititierende und stets steuermächtige administrative und legislative Logik, die einem Ereignis aufruht, das die Vorstellung zulässig funktionell verschränkter Staatsgewalten seinerseits radikalisiert und nochmals übersteigt: eine situative Durchbrechung der Gewaltenteilung, die Gewaltenverschaltung ist; so auch ein Durchdringen zu einem wechselseitig tabuisierten, unbedingten Kernbereich der Gewalt (als ultimatives die Freiheit sicherndes Konstituens einer demokratischen Verfassung). Eine verfassungsrechtlich zugestandene Gewaltenverschränkung muss eingedenk solcher Feststellung nicht als fortgesetzt funktionell unterschiedener, sondern als funktionell-gewalteneinigender Sicherheitsverbund gelesen werden. Die Nützlichkeit der Begründungsfigur Sicherheit würde hiernach nicht länger ein die Gewalten zulässig verbindendes Scharnier sein, sondern ein unreflektiertes invasives Interagieren mit dem maßnahmebezogenen Tauschgut Legalität zwischen den einzelnen Staatsgewalten – und sozusagen durch sie hindurch – ermöglichen. Frankenberg nutzt politische, rechtliche und gesellschaftliche Markierungspunkte für eine historisierende und zugleich aktualisierende Verschleifung einer wiederkehrenden und sich normalisierenden Sprossung von rechtsstaatlich bedenklichen Ereignissen in der Ordnung, vermöge deren ein wechselseitiges Durchdringen der Staatsgewalten aufgenommen werden kann. Im Stakkato: 1. Das Parteienprivileg. Der Umgang mit dem begrifflichen und geltungstheoretischen „Offenen“ einer sogenannten verfassungsfeindlichen Bestrebung einer politischen Partei durch möglich denkbare Spieler in Politik und Gesellschaft kontrastiert die verfassungsrechtlich zugewiesene, ausschließliche Feststellungskompetenz eines Bundesverfassungsgerichts (insbesondere die Frage einer hinreichend aggressiv-kämpferischen Ausrichtung einer Partei). 2. Das Nachschieben von Legalität, die der Autor anhand des sogenannten Radikalenerlasses, dem eingriffsrechtslose (gesinnungsstrafrechtliche) Ermittlungsmaßnahmen intern waren, verdeutlicht. 3. Das Vorschießen von Legalität; einem Verständnis antizipatorischer Gesetzesvorsorge, die sich einem aktualisierenden Verhältnis gesellschaftlicher, rechtsstaatlicher und gesetzgeberischer Moderation entziehe. 4. Der Vorstellung eines Jakobs‘schen Feindstrafrechts, das neuerlich zu einem gesamtheitlichen Feindrecht aufgespreizt und als ein Bekämpfungsrecht – u.a. unter dem Signum hinlänglich diskutierter Flirts zeitgenössischer Rechtswissenschaftler mit der Ausnahme - ausdifferenziert wird.

Frankenberg spannt in seiner Untersuchung sozusagen ein Dreieck prominenter Zitation (klassische Autorenschaft zum Ausnahmedenken insbesondere bei Schmitt und Agamben) über seine vorleistenden Diagnosen, um ein zunehmend wahrnehmbares paradigmatisches Duell von normalisierter Ausnahme und rechtsstaatlicher Ordnung vorstellen zu können, das nicht nur schon länger in den westlichen Massendemokratien in und neben der Ordnung virulent ist, sondern dem eigentümlich intern ist, dass es sich nicht zu einem tatsächlichen Duell auswachsen darf. Das bestehende Paradigma wird nur scheinbar von einem paradoxerweise konkurrierenden und korrigierenden Paradigma (die purifizierte rechtsstaatliche Formalität soll ja eigentlich der Inbegriff von Normalität und Normativität im Staat-Bürger-Verhältnis sein) ergriffen. Der insoweit als „kupiert“ oder „enthauptet“ konnotierte Rechtsstaat darf sich widerspruchsarm in zulässige Erscheinungsformen, als Formen des Präventiv- oder Sicherheitsstaates umstellen lassen. Eine Umstellung, die fortgesetzt in herkömmlicher formeller und materieller Äußerlichkeit in Gesetzesform auftreten muss aber bestenfalls als ein Residual von Rechtsstaatlichkeit, als kostümierte oder tradierte Rechtsstaatlichkeit neben und in einer zulässigen Eingriffsrechtsklaviatur figurieren darf und soll.

Inwieweit überschneiden sich Frankenbergs Annahmen mit einer „Copenhagen School“, der Umschaltung von einer staatszentrierten auf eine operative, sozusagen ko-konstruktivistische Herangehensweise durch den Securitization-Ansatz, der als eine epistemisch-theoretische Wende vorgebracht wird, die definitorisch zugängliche, atomisierte Sicherheitsbegriffe, subsumierbare Lebenssachverhalte, sprich vorleistende Begriffsarbeiten durch ein spezifisches Verständnis von Sprechakten ersetzt wissen möchte, die hiernach einzig bestimmten Minimalkriterien genügen sollen: Die Verwendung von Sicherheitsbegriffen sei zu unspezifisch und mannigfaltig, als dass sie die Transformation sozialer Tatbestände in Sicherheitsangelegenheiten zu leisten vermöge. Dazu seien nur Sprechakte imstande, welche die folgende rhetorische Struktur aufweisen: In ihnen wird etwas als existentielle Bedrohung figuriert, die ein zu schützendes Referenzobjekt in seinem Überleben betrifft, so dass die Ergreifung außerordentlicher Maßnahmen gerechtfertigt erscheint. Frankenberg scheint zumindest oft einem diesen Ansatz ähnelnden, kreativen Mechanismus zu nutzen, obschon er innerhalb eines fortgesetzt staatszentrierten Denkens verbleiben möchte.

Dem Autor gelingt in seiner nur wenig beachteten Untersuchung die gründliche Beschreibung einer juridisch konzipierten und veritabel verteidigten Außengrenze „Rechtsstaat“ (die eine Weiterentwicklung eines Hobbes‘schen Dualismus totaler An- oder Awesenheit von Sicherheit spiegeln soll, die ein „Mehr“ an Locke verteidigt wissen möchte) und einer diese intern entgrenzende Radikalisierung von Nützlichkeit der Begründungsfigur Sicherheit in der Moderne als Ist-Zustand, der jeden Normadressat vom Kriterium der Legitimität zu befreien scheint, ein Gefühl des Unsteten und Unabgeschlossenen erzeugt. Frankenberg arbeitet – wie viele andere Autoren auch – mit dem landläufigen Verständnis eines Dilemmas des liberalen Rechtsstaats in seinem Umgang mit multidimensionaler Unsicherheit als Ausnahme in und neben der Ordnung, der im wesentlichen einer konzeptionsbedingten Freilegung illiberaler Virtualität innerhalb des liberalen Denkansatzes – z.B. im Angesicht terroristischer Eskalation - geschuldet ist. Wie sollte man sich dieses so beschriebene Dilemma vereinfacht vorstellen ? Zunächst ist die Unsicherheit im liberalen Kontext lohnenswert oder gewünscht anwesend (Kein Profit ohne Risiko !). Die Schwierigkeit des liberalen Systems besteht darin, Mittel und zulässige Verfahren zu finden, „erwünschte“ Unsicherheit von „unerwünschter“ Unsicherheit (für beides kann man auch den Begriff Freiheitsgebrauch einsetzen) zu scheiden, ohne die Zirkulation grundsätzlicher (lebensnotwendiger) Unsicherheit zu gefährden. Gerade eine solche Überwindungstechnik ist dem liberalen Staat nicht fremd, sei es in Form einer so von Frankenberg verdrillten Foucault‘schen Methode oder vermittels der Foucault‘schen Vorstellung eines gouvernementalisierten Staates, solches unter der Beachtung einer Rhetorik der Securitization als Einsätze illiberaler Sicherheitsdispositive etc. ! Der um ein rechtsstaatliches Register konstitutiv erweiterte liberale Staat wird nur an seiner Oberfläche von der „Schwäche“ formaler Rechtsstaatlichkeit ergriffen und nur die Apologeten formaler Rechtsstaatstheorie unterspülen fortgesetzt und honorabel diese Oberfläche in vielfach initiierten Reformulierungsversuchen von legislatorischer Formalität, sprich der Forderung strikter demokratisch legitimierter Gesetzesprogrammierung. Frankenberg verwickelt dieses juridische Vehikel als ein modernes Sicherheitsdispositiv exemplarisch in eine Verteidigungsrede demokratischer Legitimität, die sich außerhalb einer Tendenz materialer Rechtsstaatlichkeit, einer die Ausnahme neben der Ordnung zulassenden Legierung von Rechtsstaat und Demokratie (die noch keinem Denker gelungen ist) verortet. Die Schnittmenge dieser Kritiken organisiert sich zuallererst gegen einen ersatzlegislatorischen, einen objektiv-rechtlich entkleideten Hebel hypertropher Justizstaatlichkeit, der insoweit eine unzulässige Materialität des Rechtsstaates aus-und eingeprägt, als der originären Rechtssetzungskompetenz eine substantiell und institutionell scheinbar höherstufige Legitimität vorgeschaltet wird, die vorrangig dem Bundesverfassungsgericht eine demokratiefeindlich-akzentuierte Judikatur testieren soll (z.B. in Form subjektiv verrechtlichter Grundrechtsfunktionen oder der flüssige Aggregatzustand der „objektiven Wertordnung“ sowie die „mittelbare Drittwirkung der Grundrechte“ - die aber auch als Korrektiv einer repräsentationsfeindlichen Arbeit der Legislativen gelesen werden könnte). Der liberale als gouvernementalisierter Staat, im Modus eines Präventions- oder Sicherheitsstaates hält konzeptionsbedingt interventionistische Überwindungstechniken wie zuvor kurz angerissene Hypertrophie bereit, mit denen er seine eigene, konstitutive Interventionsaktivität stets reproduzieren muss – der liberale Staat ist wundersam tauglich für eine Gouvernementalisierung oder er ermöglicht ungeniert eine Mechanik von in der Gesellschaft eingelassenen Präventionstechniken, die eine gesehen-ungesehene Schwelle operationalisieren, an der ein liberales Regieren in den illiberalen Modus wechseln darf.

Die mannigfaltigen Erklärungsversuche eines Politischen neben einer formal-institutionalisierten Politik bedeuten einem eigenlogisch operierenden, prozessierenden Lebensbereich den Weg, der viele Spieler kennen, somit jegliche Regierungskalkulation ausschließen sollte – dieses grundlegende Theorien übergreifende Moment wird hier in sein Gegenteiliges, in erster Linie in ein rein staatliches Konzipieren zurückgeworfen. Es wird ein epistemisches Terrain eines neuen Politischen als Politik von Staatlichkeit eröffnet, innerhalb dessen ein gesellschaftlich-mobilisierungsoffener Einheitseffekt mit hoher gesetzlicher Implementierungsdynamik zur Entfaltung geraten darf. Was Foucault oder die Vertreter der Securitization als einen gesamtheitlichen Effekt betrachten, verquickt Frankenberg mit einer handlungsanweisenden Einstellung und Mentalität reinkultürlicher Sicherheitstechnik durch wenige Sicherheitsingenieure, die jedoch alles andere als ein bloßer beweglicher Einheitseffekt ist, sondern hartes, den Effekt versionisierendes, politisches Kalkül. Frankenberg vollzieht in der Tat eine selbstbewusste Zuschreibung von Verantwortlichkeit; er verwickelt die Programmier-/Handlungshoheit in Sicherheitsangelegenheiten mit bestimmten, identifizierbaren Akteuren der Sicherheitstechnik, die sich der Leser mit zunehmender Lektüre als „übersozialisierte“ Wesen vorzustellen hat. Die „Sicherheitstechnik als Staatstechnik“ befördert eingedenk aktueller politischer und gesellschaftlicher Verschleifung und seiner nachweislichen erratischen Auf- und Überladung einen Eindruck, mehr als eine Arbeitshypothese, vielleicht schon Glaubensfrage sein zu dürfen.

Ein Zwischenschritt (oder der Grundgedanke): Mit Habermas und Wingert wurden zwei Verständnisse eines potentiell politisch programmierenden „Wir“ kurz angerissen. Mit den Ausführungen zur explorativen Herleitung von Entscheidungs- und Auswahllogiken bei Kahl/Hegemann wurde ein „weicher“ sicherheitspolitischer Steuerungs- respektive Einflussfaktor (oftmals nicht bewusstes, nicht einmal erklärbares Programmieren) vorgestellt, der sodann von der „Staatstechnik“ bei Frankenberg kontrastiert wurde, mithin als eine „harte“ politische Steuerungsfähigkeit und -mächtigkeit (bewusstes, kalkuliertes Programmieren).

Ein Kreis, der die o.a. vier Punkte einfängt und sich in einem neuen verschalten soll: In der Vermutung eines zugrunde liegenden ungesehenen Moments, eines invisiblisierten politischen Motors in der Gesellschaft, der insbesondere den Gedanken einer unsichtbaren Ideologie aufnehmen soll und ein illiberales ethisch-, schlechterdings ethizistisch-totalitaristisches Moment freilegen soll. Nur ansatzweise fängt diese Vermutung die Annahmen spezifisch kulturellen Agenda-Settings ein.

IV.

Claude Lefort bedeutet auch mit seinen zwei provokanten Theoremen über das Totalitäre den Weg in eine wirkliche oder wilde Demokratie, die den Vorhang der instituierten Demokratie mit ihrer vielgestaltigen Klaviatur symbolischer Vorkehrungen zu lüften sucht: 1. Der Totalitarismus wurzelt hiernach in seiner konfiguratorischen Anfänglichkeit in der „demokratischen Revolution“. 2. Der Totalitarismus kann insoweit nicht als etwas Gegenteiliges von Demokratie, sondern als Erscheinungsform oder als genuine Form des Demokratischen gelesen werden. Das Totalitaristische und das Demokratische scheiden sich in einer Indifferenz, die darin gründet, dass das gleichursprüngliche Totalitäre sich wie das Demokratische - insoweit auch „eine Vorläuferschaft“ in den Morphologien der Despotie oder Tyrannei nicht nachweisbar ist – an einem „leeren Ort der Macht“ nicht nur selbst erzeugen und erfinden, sondern auch diese, seine spezifische mise en forme (Lefort) als die eigentliche Selbsterfindung einer selbstbefreiten Gesellschaft verstehen muss. Im Zusammenhang anfänglicher Selbsterzeugung und -erfindung, mit einem Verständnis über eine Repräsentation ihrer Ursprünge besetzen die totalitären Ideologien keinesfalls je alternierende, ontologische Fundamente – vielmehr sind diese sekundär, lediglich bloße Werkzeuge der Ausgestaltung von gesellschaftlicher Selbsterfindung und schlussendlich eine mise en forme. Nachfolgend soll anhand einer kurzen Passage Lefort‘schen Denkens eine Gelenkstelle erzeugt werden, die als Aufnahmepunkt für die Beschreibung eines invisibiliserten Raumes dienen soll: Die anfängliche Fragestellung dieser Untersuchung zu unsichtbaren, ethizistischen Praktiken einer sich versicherheitlichenden Gesellschaft, die sich als eine Form depolitisierter Steuerungsmöglichkeit und -mächtigkeit für die parlamentspolitische Programmierung eines, neuerlich multidimensionalen Sicherheitsbegriffs begreifen lassen, soll nicht ohne eine kursorische Blicknahme der freilich nicht unbestritten gebliebenen (Vorwurf eines Normativitätsdefizits) „unsichtbaren Ideologie“ bei Lefort auskommen.

In einem Lefort maßgeblich formativen Fahrwasser von Machiavelli, La Boétie, Toqueville sowie Kantorowicz und Lacan bringt der Autor u.a. in seinem Aufsatz „La question de la démocratie“ seine politische Philosophie gegen eine politische Wissenschaft in Stellung. Es sei insoweit auf den herausragenden roten Faden Lefort‘schen Denkens hingewiesen:

  1. Die geteilte Gesellschaft. Die Teilung der Gesellschaft eröffnet den gesellschaftlichen Raum als Feld politischer Macht. Diese Teilung der Gesellschaft teilt nicht „in Teile“, die sich fremd gegenüberstehen würden, sondern spiegelt ein Gefüge sozialer Praxis, die nicht überblickt, gelesen werden kann. Zu denkende Grundfigur ist also, dass die Seinsweise und die Praxis der Gesellschaft nie mit ihrer symbolischen Repräsentation in ein konsistentes, kongruentes oder selbsttransparentes Verhältnis, kurz, dass sie nie In-Eins mit sich selbst fällt (so auch der Staat nicht). „Anders gesagt, Gesellschaft erscheint nur, indem sie sich selbst fehlt.“ Keiner vermag die Symbolizität der Macht zu neutralisieren, da die ursprüngliche Teilung der Gesellschaft jede Utopie, Fiktion oder Programmatik gesellschaftlicher Einheit diffundiert. Jedes Denken einer gesellschaftlichen Einheit, jede Versuchsanleitung des In-Eins-Fallens wäre hiernach verdächtig, genauer noch: ideologieverdächtig. Die Teilung der Gesellschaft selbst evoziert erst die Suchbewegung nach einer ungeteilten oder vereinten Gesellschaft; sie ist auch Urheber eines irreduziblen Phantasmas, das ein latent Politisches zum Vorschein bringt (Phantasmen sind also Vorstellungen, welche den ursprünglichen Mangel, der durch die (Selbst-)Teilung der Gesellschaft in ihr anwesend ist, abzuwehren suchen – sie werden in dem Wunsch des In-Eins-Fallens von Staat und Gesellschaft projektiert). Lefort geht von einer symbolischen Konfiguration von Macht aus: Die politische Macht im unabgeschlossenen Raum des Symbolischen bildet den Ausgangspunkt; dieser kommt archetypisch in der demokratischen oder bürgerlichen Revolution – und zwar evident - zu Bewusstsein. Jeder wissenschaftliche, politische oder lebensweltliche Zugang zu einem Gesellschaftlichen muss verleugnen, dass er selbst gesellschaftlich bedingt ist: Der Rekurs auf ein Symbolisches verwickelt also jede Betrachtung von Gesellschaft (aus einem Außen) mit einem Malus, dass eine Bezugnahme und eine Erklärungsleistung von Gesellschaft erst durch die Unmöglichkeit eines absoluten Überblicks möglich wird. Das Dilemma symbolischer Macht - als Produkt eines neuen Selbstverständnisses der „selbstbefreiten“ Gesellschaft – gründet darin, dass die politische Macht nurmehr in einem zunächst entgrenzten Symbolischen erscheint und in dessen Folge ein mögliche Inkorporation des Gesellschaftskörpers in der Person eines Souveräns oder Monarchen ausbleibt.

  2. Die Verkörperung des Einen und die Kritik der Alleinherrschaft. Woher stammt das historische Wissen um die symbolische Dimension von Machtkonfiguration ? Kritisches und subversives Wissen darum erscheint bei Machiavelli und bei La Boétie: „Beide eröffnen ein Register politischer Macht, das über die Verführungskraft eines Monarchen oder die Idee einer der absoluten Macht zugrunde liegenden, physischen Kraft hinausweist. Als Name – des Fürsten oder des Einen – begreifen beide eine eigentümliche Dimension, die eine Verbindung zwischen dem Pol absoluter Macht und dem Eigennamen des Monarchen herstellt, also die eine zwischen beiden herrschende Beziehungskraft selbst darstellt.“ Der Monarch des Ancien Régime eskamotiert nicht einen außerweltlichen, einzig ihm offenbarten - und somit jeglichen Öffentlichkeiten entzogenen - Ort der Macht, der in seinem Verständnis als eine analoge weltliche Verschaltung des Corpus Christi gelesen werden soll, sondern, so etwa in den Discorsi bei Machiavelli, auch der Alleinherrscher müsse selbst an diesem Ort seine Macht erst imaginieren (Macht wird hier zu einem Ort, in dem ein politisch-theologisches Denken ein Bewusstsein für vielseitige Stabilisierungsmechanismen monarchischer Macht schafft, der dem gesellschaftlichen Zugriff entzogen ist, jedoch mit der Person des Herrschers ineins fällt). Das Bild der zwei Körper des Königs (Kantorowicz), dem sich der Beherrschte freiwillig unterwirft, befördert hierin in seiner Form als Synekdoche den konservierten Glauben an das Eine. Als beachtlichen Sidekick sollte es man sich anraten lassen, die Demokratie modernen Zuschnitts mit der Morphologie der Monarchie in Beziehung zu setzen – die oft besungene Rekursnahme antiker Demokratie erscheint eingedenk dieser Literatur allenfalls als ein technisches Transformationsvehikel in der Moderne.

  3. Die Macht von allen und niemandem: das Reale der sozialen Teilung. „Die demokratische Revolution – zuvor lange unterirdisch – explodiert, als der Körper des Königs zerstört wird, als das Haupt des politischen Körpers (die Vereinigung des Gesellschaftskörpers im Namen-des-Einen) fällt und als sich, im selben Zug, die Korporalität des Sozialen auflöst (Der Körper wird nicht nur zerstört, er fällt jetzt in permanenter Rekursnahme auf sich selbst zurück).“ Das konflikatorische Moment in der ursprünglichen Teilung (die keine empirische Teilung ist) widerstreitet jegliche allmächtige Machtkonfiguration; es widersteht grundsätzlich auch einer demokratischen Machtausübung. Der die Gesellschaft (selbst-)teilende Konflikt und die demokratische Machtausübung schließen sich jedoch insofern für Lefort nicht aus, als sie sich wechselseitig bedingen: Jeder Versuch einer Versöhnung der sozialen Teilung, jedes Ansinnen einer politischen Überwindungstechnik sozialer Teilung führen in einen Selbstentzug von Macht – so wie der Fürst alle Macht verliert, wenn er selbst dem Bild verfällt, das andere von ihm haben. Diese Unverfügbarkeit, das heißt auch die Unmöglichkeit ihrer Verbergung oder Aufhebung, ist in dieser Hinsicht das Reale der Gesellschaft: „Gesellschaft besitzt sich nicht selbst und kann von niemanden besetzt werden; sie muss sich selbst gegenüber als solche im Symbolischen erst erscheinen.“

  4. Das Symbolische ist nicht das Ideologische. Zugelassene Repräsentationsweisen des Gesellschaftlichen gießen sich nicht in eine das Gemeinwesen verfassende Form, z.B. in die denkbaren Morphologien eines „Staatsbildes“, sondern sind selbst generative Prinzipien der Form – sie sind immer nur formgebend, nicht Form. Durch diese reale Unmöglichkeit gesellschaftlicher Ganzheit unterhält das Symbolische, so Lefort, eine unauflösbare Beziehung zum Imaginären. Dieses Verhältnis, diese Beziehung verspricht demgegenüber Möglichkeiten der Ganzheit, das Beziehungsmoment zwischen einem Symbolischen und Imaginären lässt somit Projektionen eines In-Eins-Fallens zu (obzwar sie stets auch Artikulation ihrer Unmöglichkeit sind). Gesellschaftspolitisches, das Ganzheit anstrebt, sich im Namen von Allgemeinheit als Eins selbst erfinden will, überschreibt insoweit eine Differenz zwischen dem Realen, Symbolischen und Imaginären in der Gesellschaft. Das führt Lefort in die Bestimmung des Ideologischen: vorwegnehmend: Die Ideologie ist Repräsentationsweise, die die Trias überdeckt; Ideologie ist insoweit auch jeder Form gesellschaftlicher Selbsterfindung, jedem Selbstfindungsprozess intern (Demokratie und Totalitarismus sind vor diesem Hintergrund gleichfalls ein gesellschaftliches Selbsterfinden). Ideologie ist nicht einfach gesellschaftliches Täuschungsmanöver, sondern die Verkennung der Konfigurationsbedingungen der Gesellschaft selbst. Klassische Ideologiekritik nährt sich von einer Opposition zwischen Ideologie und Wissen und behauptet eine vollständige Aufklärbarkeit der gesellschaftlichen Realität gegenüber ihrer ideologischen Verzerrung; für Lefort drückt Ideologie zunächst ein Begehren aus, die Unbestimmtheit und Unverfügbarkeit des Sozialen aufzuheben sowie die imaginäre Einheit des Sozialen zu realisieren. Konterkariert herkömmliche Ideologiekritik von ihrem Standpunkt des Wissens um das Reale der Gesellschaft (aus deren gefestigten disziplinären Einschätzungsprärogativen heraus), so wird sie selbst ideologieverdächtig, schließlich ist jede Gesellschaft mit einem irreduziblen Wahrheitsproblem verwickelt, das aus ihrer unendlichen Teilung zwischen einem Realen und Irrealen herrührt.

Wie kann Ideologiekritik dann noch betrieben werden, ohne selbst ideologisch oder ideologieverdächtig zu sein ? „Leforts Vorschlag lautet, sie als Kritik jener phantasmatischen Effekte zu verstehen, die den Prozess der Vereinigung vereinseitgen und damit dem Bild der Einheit oder, anders gesagt, dem Charme des Namens-des-Einen erliegen – sei dies in politisch-praktischen Zusammenhängen oder in Form des „Gespenst(s) einer wahren Theorie.“ Solche Ideologie maskiert also nicht das Reale des Sozialen (herkömmliche Ideologiekritik würde das zu demaskieren suchen), das von ideologischer Verzerrung befallen ist, sondern beschreibt Prozesse, welche die Teilung der Gesellschaft selbst verdecken. Kurz gesagt: die Illusion einer Macht, einer Einheit (der zu widerstehen ist) entsteht also aus einer Verwechslung des Symbolischen mit dem Realen. Dieser Verwechslungsakt nährt ein Verständnis für das Imaginäre. „Wenn die Gesellschaft - ohne Körper und Gewissheiten – in ihrer symbolischen Matrix nur in Form von Repräsentationen ihrer selbst erscheint, so erhält Politik darin einen unhintergehbaren inszenatorischen Charakter.“ Die symbolische Figuration einer politischen Bühne wird nun in einem Raum ausgetragen, der nicht mehr als substanzieller oder transzendental verankert erscheint, sondern dessen Substanz und Existenz in ihren je alternierenden formativem Prozess selbst radikal zur Disposition stehen. Und hierin soll die gesellschaftliche Selbstbestimmung nurmehr rollenhaft darstellbar sein (und kommt beispielhaft nicht ohne theatralische oder dramatische Momente eines Politikbetriebes aus). Es ist das Imaginäre, das ebenfalls ins Werk gesetzt wird und bis zu einem gewissen Grad werden muss. Für Lefort ist das Imaginäre der Schauplatz, an dem die Spuren der Teilung der Gesellschaft zum Verschwinden gebracht werden sollen: Politik besitzt (wegen diagnostizierter Unmöglichkeit einer Überwindung gesellschaftlicher Teilung) ein offenes Ende; und es führt Politik das politische Drama der vorletzten und niemals der letzten Fragen auf. Die wechselseitige Sichtbarkeit einer Bühne ist unabdingbares Kriterium für mögliche Veränderungen von Standpunkten; sie ermöglicht ein Forum, in dem die Legitimität neuer Rechte, neuer Richtlinien durch öffentliche Meinung Anerkennung oder Ablehnung finden sollen; es gibt in ihr keine Zuschauerperspektive, die nicht in irgend einer Weise in dieser „Aufführung“involviert wäre – die politische Bühne ist unhintergehbare Schnittstelle aller denkbarer und repräsentierter Bereichspolitik (auch die geheimen Politiken brechen sich an diesem Ort – das geschichtliche Korrektiv holt sie zeitverzögert ein). „Macht ist also nur als repräsentierte wirklich, und Repräsentation erscheint als mehr oder weniger machtvolle – weder als Eigentum noch als Eigenschaft einer Person oder des Einen.“ Hier deutet sich also das Imaginäre in zweifacher Weise an: a) als Phantasma, die Macht selbst doch noch, in einer Person oder in einem Staat fundieren zu können und dem besagten Bühnenraum zu entziehen sowie b) im Fortbestehen (oder in der Konstruktion) eines imaginären Außen der Gesellschaft, auf das sich alle Repräsentationen beziehen, ohne es besetzen zu können. Das zeigt auch auf, wie schnell ein gewählter Repräsentant den Anspruch des Handelns für eine „Allgemeinheit“ einbüßen kann – ist dieser (oder die aktuelle Macht) davon überzeugt, das zu sein, was andere von ihm (ihr) denken, dann zerfällt Macht (zuallererst) in den Augen der gesellschaftlichen Akteure – sie wird nicht mehr von einem allgemeinen, sondern partikularen Input getragen. Die Imagination zerfällt. Die demokratische Machtausübung findet somit an der Schwelle, an der Nahtstelle einer Auflösung von Gemeinschaft (die eine Vielheit von gesellschaftlichen Phantomen zu ertragen hat) statt, obschon die „Macht“ selbst glaubt, an diesem Ort das Gemeinwesen selbst erst erscheinen zu lassen. Machtausübung ist nur unter jederzeitigen Entzuges seiner Legitimation denkbar, einzig so realisierbar. Gesagtes ist der Einsatzpunkt Leforts für seine post-marxistische Ideologiekritik. Eine Schwierigkeit besteht indessen immer: In vielen Fällen ist das Regime eines Imaginären nicht in hinreichender Weise auch sichtbar.

  1. Die Unsichtbarkeit des Imaginären und die Entsymbolisierung der Politik. Die Ideologiekritik Leforts will das Imaginäre nicht vom Symbolischen geschieden, er will nicht nur eine wechselseitge, sondern gedoppelte Bezüglichkeit verwirklicht wissen: Seine Grundannahme verweist darauf, dass im Imaginären nicht nur das Phantasma des In-Eins-Fallens oder des Namen-des-Einen erscheint, sondern auch die benannte Sphäre einer in ihrer ursprünglichen Unverfügbarkeit sich selbst teilenden und zugleich selbst vereinenden Gesellschaft. Eine zugelassene finale Fusion des Symbolischen und des Imaginären führt hiernach dazu, dass eine Gesellschaft alle Macht abschafft; eine gegenteilige totale Verleugnung imaginärer Momente im Symbolischen führt indessen dazu, dass eine Gesellschaft ohne Macht entstünde, da nun jeglicher äußerliche, außerweltliche oder unsichtbare Bezugspunkt eines Symbolischen getilgt würde. Eine programmatische Unifikation des Imaginären im totalitären Führer- oder Einparteien-Staat (die vor dem Hintergrund eines Gebrauchswertes des Imaginären unterschieden werden könnten) und das Problem einer (die Gesellschaft sich selbst imaginierenden) Herausrechnung des Imaginären in den post-totalitaristischen Staaten - also auch in den westlichen Demokratien - dient Lefort maßgeblich als Arbeitsfolie. Für den Totalitarismus gilt: Die Suche nach dem Namen des Einen und die Re-etablierung eines in sich kongruenten gesellschaftlichen Körpers leugnet insoweit radikal jegliche Einschlüsse gesellschaftlicher Selbstdifferenz. Der Totalitarismus ist nichts anderes als die permanente Reproduktion eines antagonistischen, zumindest agonalen Anderen durch die Repräsentation des Einen-Volks sowie die Zuschreibung von Andersheit auf ihre inneren und äußeren Feinde. Jegliche Figurationen des Einen als Kollektivsubjekt nötigen einem „vorhanden Volk“ in einem fort, sozusagen revolvierend, (beispielhaft) biopolitische Unterscheidungen und Abspaltungen (Ächtung von Bevölkerungsteilen etc.) ab, was die Logik gesellschaftlicher Teilung paradoxerweise wiederkehrend fokussiert (soll das totalitäre Projekt doch gerade prototypische Überwindungstechnik sozialer Differenz sein). „Die widersprüchliche Erfahrung im Totalitarismus besteht darin, dass die gesellschaftliche Teilung gerade aufgrund jenes Unternehmens wiederentsteht, das darauf zielt, sie abzuschaffen.“ Dem Totalitarismus ist demnach ein Scheitern als Bedingung seiner Durchsetzung intern, insofern er sich nur durch das selbst erscheint, was ihm ursprünglich widerspricht. Und dieses Scheitern im und des Totalitarismus ist letztlich der Türöffner für das Lefort‘sche Denken: Er untersucht das Scheitern unter der einzigartigen Bedingung, ein Imaginäres nicht gänzlich in einem Symbolischen neutralisieren zu müssen. Eine absolute und somit auch einfache Verbannung (s.o. und ein Hinweis darauf, dass solches übliches Vorgehen im „Post-Totalitarismus“ ist) führt eben nicht nur zu einer Weigerung, den Totalitarismus in dieser Hinsicht ernst zu nehmen, sondern auch zur Verkennung eines neuen nach-bürgerlichen und nach-totalitären Typs der Ideologie, der sich durch eine gänzlich neue Konstellation des Realen, Symbolischen und Imaginären auszeichnet (Eine Form quasi-totalitaristischen Settings kann in der Demokratie also existieren, koexistieren – die, die eine Verbannung, sozusagen als Affekt auf den Totalitarismus, vollführen, diese annehmen, merken nicht, dass die Verbannung des Imaginären im Grunde nicht gelungen ist). Das ist die Geburtsstunde der unsichtbaren Ideologie; sie erscheint in den Momenten, in denen eine Gesellschaft ihre Pluralität, ihre Teilung anzuerkennen vermag, zugleich aber sich - fälschlicherweise – frei von jeglicher phantasmatischer Verstricktheit wähnt. Also nichts anderes als eine bloß subtilere Verkennung der Unverfügbarkeit, der Teilung von Gesellschaft ! Letztlich versucht Lefort ja eine Anerkennung dieser Unverfügbarkeit im Sinne eines imaginären Bezugspunktes in seiner Ideologiekritik zu verankern, der nicht expliziert oder in Wissen überführt werden kann (Er vermutet ja bei der unsichtbaren Ideologie fortgesetzt etwas Imaginäres am Werke): Die unsichtbare Ideologie verdeckt die Erfahrung von Grundlosigkeit der Gesellschaft; hingegen vermag sie das zu bewahren, was als eine Differenz jenseits der Meinungen, also etwas, was jenseits dessen ist, was sie voraussetzt, vermutet wird. Denn, so Lefort, dass „die menschliche Gesellschaft nur eine Öffnung auf sich selbst hat, indem sie in eine Öffnung hineingenommen wird, die sie nicht erzeugt, genau das sagt jede Religion.“ Es ist sozusagen als eine phantasmagorische Zerstreuung der phantasmatischen Vorstellung des Namen-des-Einen oder des In-Eins-Fallens aufzufassen; die unsichtbare Ideologie produziert Vexierbilder: die Gesellschaft denkt, dass im hoch ausdifferenziert demokratischen Staat alles Erfahrungswissen handhabbar, sichtbar und intelligibel sei (im Grunde das Setting oder der Anspruch einer „selbstbefreiten“ Gesellschaft - die einem Phantasma des Eins erfolgreich zu widersprechen hat - ist hier selbst ein Phantasma). Die totalitäre Ideologie kommt nicht ohne Feind, ohne das antagonistische oder agonale, stets zu reproduzierende Andere aus, um die soziale Teilung der Gesellschaft verdecken zu können; die unsichtbare Ideologie in den westlichen Demokratien erzielt den (selben) verdeckenden Effekt dadurch, dass sie unreflektiert (durch Verleugnung und Verleumdung eines Imaginären) das gesellschaftliche Miteinander, z.B. ein mediatisiertes oder transzendental hypothetisch zugelassenes Wir im Symbolischen demokratischer Machtausübung für entwickelt und verwirklicht hält. Wäre das insoweit wahrhaftig, dann würden alle modernen Politiken anders aussehen, schlimmer noch: die westlichen Demokratien wären Orte ohne Machtausübung (es gibt sehr wohl gesellschaftliche Tendenzen, die ein völliges Verschwinden des Imaginären transportieren: es sind die bekannten individualistischen, egologischen, ipseologischen Momente in den westlichen Demokratien – jedoch vermögen diese starken Tendenzen final nicht, das Imaginäre vollends zu neutralisieren). Lefort leitet demgemäß über, dass die Verleugnung des Imaginären in den Massendemokratien (genauso wie der Primat des Imaginären im Totalitarismus) auch zu einer Entsymbolisierung des Politischen führe: „Da in der Entsymbolisierung auch die Konfigurationsbedingungen politischer Macht verschleiert und damit invisibilisiert werden, kommt sie einer Entpolitisierung gleich. Lefort muss denklogisch vor 'der Vorstellung warnen, dass die Demokratie keine Feinde mehr hätte und dass sie nicht selber der Herd neuer Weisen der Unterdrückung des Denkens, neuer Formen der freiwilligen Knechtschaft wäre, deren Folgen wir nicht kennen'. Das Unsichtbare des Imaginären und der Ideologie muss dagegen selbst wieder sichtbar werden.“ Die Programmierungshoheit des Sicherheitsbegriffes, das nicht verschwundene Imaginäre in der eingespielten, repräsentativen Demokratie, die unsichtbare Ideologie und das totalitaristische, lebensfähige Moment in der Demokratie: Mit Lefort würden sich - anders als bei klassischen Erklärungsversuchen – ganz neue Urheberschaften eines Programmierens herleiten: z.B dadurch, dass man es wagt, das als etwas Imaginäres (als ein heute noch durchgreifendes Imaginäres) zu benennen, was Lefort ja als etwas nicht greifbares bezeichnen würde, das jenseits der Meinungen läge: ein imaginärer Motor des Ethizistischen in der modernen Demokratie, der nach dieser Untersuchung sehr gewichtig werden kann, wenn es um die Typizität von Sicherheitsbegriff und -recht gehen soll – der gleichsam einen Raum in der Gesellschaft einnimmt, aus dem jeder noch so kalkuliert handelnde Sicherheitsingenieur erst heraustreten muss.

Was soll an dieser Stelle mitgenommen werden: Ein eigenlogisch Prozessierendes, das nur noch von dem sprechen, von dem berichten kann, was im Zeitpunkt der Selbstbefreiung der Gesellschaft oder kurz darauf im Rahmen einer bürgerlichen Ideologie faktisch verwirklicht war und zunehmend verschwunden ist; mit der Konsolidierung der repräsentativen Demokratie, die nachweislich Neukonstitution von Repräsentation zu verhindern vermag.

Die unsichtbare Ideologie diagnostiziert a) eine fälschlicherweise angenommene Herausschreibung eines jeden imaginären Restes aus den realen und symbolischen Dispositiven der post-totalitär verfassten Gemeinwesen und b) eine korrespondierende Verhinderung/Erschwerung der Neukonstitution von Repräsentation in den modernen Massendemokratien (In den etablierten, hoch ausdifferenzierten, also „eingeschliffenen“ Demokratien wird nur noch von dem gesprochen, was anfänglich in einer bürgerlichen oder demokratischen Revolution gelebt wurde, s.o.). Was ist aber mit einer (in originär politisch Programmierendes) durchgreifenden Steuerungsfähigkeit und -mächtigkeit, die sich in und aus einem Imaginären heraus verschalten ließe (Schlussendlich vermutet Lefort ja, dass das Imaginäre nur uneigentlich verschwunden ist, weil es der irrigen Annahme zum Opfer fiele, innerhalb derer das Ganze in Teilen des Sozialen als intelligibel, sagbar, determinierbar und vorhersehbar verkannt werde). Vor dem Hintergrund einer in Tätigkeit gesetzten unsichtbaren Ideologie könnte demnach (Neu-)konstitution nicht von einem originären Politischen, sondern von einem Ethischen (schlechterdings Ethizistischen) eingenommen werden – und einem so vertretbar anzunehmenden vorprozessierenden Raum entstammen. Wie könnte sich das Eigenlogische dieses vom Politischen oder Sozialen entkoppelten Prozessierens einfangen lassen ? In einer eigentümlichen Weise könnte es Badious Ereignistheorem leisten, das im wesentlichen entlang eines Treueverhältnisses zwischen Ereigniswahrheit und Subjektformierung, eine neue politische Philosophie zu deklarieren, eine neue Form von Politik einzufangen sucht.

Der Staat sei hiernach a-politisch; die Demokratie und der Totalitarismus als denkbare Morphologien sich verfassender Gemeinwesen führen hier (wohlgemerkt extravagant) in ihrer nicht trennbaren, gemeinsamen Verschaltung erst zu einer Politisierung aller infrastaatlichen Öffentlichkeiten: der Staat wird erst durch diese additiven Ereignisse zu etwas Politischem. Das Totalitäre formt das Politische als eine universelle Prätention von Staat aus; das Demokratische ruht diesem Anspruch gleichsam auf, jedoch es versucht es dadurch zu verbergen, indem es den Totalitarismus als Gegenteiliges ihrer eigenen Morphologie erfahren will. „(...) So muss man Politik von der Fiktion des kommunitären oder sozialen Bandes genauso entkoppeln wie von der Fiktion der Repräsentation.“ Die politischen Selbstverständnisse von Personenmehrheiten repräsentieren für Badiou nichts Soziales. Es gibt kein Proletariat, es gibt keinen Staat, die sich im Sozialen spiegeln.

Wahre Politik gehört nach Badiou dem Realen an, es ist unvereinbar mit einer sozialen Ordnung, mit dem unklaren, ungeordneten Ontischen. Die Politik könne also nur - wie das Reale – zur Ordnung eines heterogenen Registers von Ereignissen jenseits des Seienden („ce qui est“) gehören. Wahrheit misst sich im Ausdruck eines Ereignisses - und nur in diesem: das Ereignis unterbricht das Ontische des Sozialen oder wie es bei Badiou heißt, den Status oder auch den Staat (ètat). Das Ereignis unterbricht insoweit eine jede lebensweltliche Situation, als es nicht selbst Bestandteil einer Situation werden kann, sondern nur als deren supplementierender Ausdruck erscheint und sodann verschwindet; es ist gleichsam Anstrengung, ein spezifisches Ereignis mit dem eigenen Denken abzustimmen, ihm Treue zu erweisen. Ist das Ereignis Bestandteil einer Situation, verbleibt es in ihr, so ist es innerhalb der Regeln einer Situation detektierbar: es vermag das Soziale nicht zu unterbrechen. Verdrillt man demgemäß das hier nur kursorisch dargestellte Ereignistheorem Badious mit den Begriffen des Politischen, so kann seine Politik nur dadurch werden, was die Fiktion des Politischen unterbricht.

Kann das Denken von „neuer“ Sicherheit und Unsicherheit in einem solchen, ähnlich prozessierenden Raum (den Badiou hier in seinem Denken als ein Politisches unfreiwillig anböte) als etwas wie beschrieben ethisch und zunächst nicht politisch Prozessierendes entwickelt werden ? Das, was Badiou als (uneigentliches, damit eigentümliches) Politisches ausformt, schreibt sich eigentlich in ein ethisches Register ein; es ist schlichtweg insoweit keine Politik (z.B. in einem Machiavelli‘schen Reich des Bedingten), als es nicht unbedingt landläufigen Verständnissen von Ethik aufruht, sondern dadurch, dass es einen Rollentausch privilegiert: Die Unterordnung aller denkbaren Bühnen eines Politischen und Rechtlichen unter ein Ethisches hervorhebt. Gerade dieses Badiou‘sche Moment könnte aber durchaus das beschreiben, was vorliegend gesucht wird: ein fortgesetzt durchgreifendes, aktivierendes Imaginäres, s.o., das einem einen ethizistischen Motor als ein überlebendes Imaginäres im symbolichen Dispositiv moderner Massendemokratien vermutbar annehmen lassen könnte – ihn als ein vom Sozialen abgeschnittenen Raum vorzustellen, der nie unbeeindruckt, unbeschädigt verlassen werden kann, aus dem jeder erst unter der Eindrücklichkeit von zugleich auftretenden und verschwindenden Ereignissen heraustreten muss (Bei Badiou wäre es insoweit politisch als es dem Realen entstammt, sprich nicht durch Soziales konstruierbar sei). Angenommen, etwas neues Unsicheres wird von der Gesellschaft als ein rarefiziertes Ereignis von Wahrheit wahrgenommen, das eine ontische Gewissheit nicht unmerklich erschüttert (Gefahren terroristischer Eskalation fordert Neuverhandlung von Sicherheit und Unsicherheit außerhalb eines sozial akzeptierten Managements von Gefahrenabwehr); jedoch wird es zunächst nicht in ein Soziales hineingerechnet, es wird zuallererst und gerade von einem solchen vorpolitischen Angelpunkt an das eigene Denken „angenäht“ (Badiou), sodass es auch – wie Badiou es sagt – das Ontische des Sozialen in erster Linie zu unterbrechen vermag (das Soziale wäre vorliegend sozusagen von ontisch beschädigtem oder verunreinigtem, negativ konnotiert: parteipolitisch korrumptivem Sicherheitsdenken geprägt). Damit würde auch die Behauptung sich gestützt wissen, dass ein solches gerade auf ein so vorprozessierendes Sicherheitspolitisches (somit: „Sicherheitsreligiöses“)“ zuträfe und eben nicht im selben Maße auf Ereignisse in anderen, im Grunde mathematisierten Bereichspolitiken.

Lässt sich eine derartige Ausschließung politischer Differenz aus der Ontik des Sozialen (Machart), sprich die strikte Anwendung eines Badiou‘schen Käfigs seltener und ethischer, nicht minder heroischer Politikvorstellung schlussendlich mit solchen Vermutungen in Beziehung setzen, denen vorliegend nachgespürt werden sollen: Kommt ein Denken von Sicherheit und Unsicherheit jenseits ontischer Verunreinigung und Bedingtheit tatsächlich ohne jegliche Differenzierungsarbeit oder ohne eine Form von Verstricktheit aus (als seltenes Ad-hoc-Ereignis) ? Der Badiou‘sche Aufweis bleibt durchaus innerhalb der hier aufgestellten Vermutung funktionabel (Freilich findet Differenzierungsarbeit statt, diese ist aber insoweit vorpolitisch konnotiert): Kann ein Badiou‘sches, seltenes Ereignis (heroischer Politikvorstellung) vor diesem Hintergrund überhaupt bestimmt werden, eines, an dem retroaktive Logiken „angenäht“ werden können (die ein Subjekt zum Ergebnis eines Ereignisses werden lässt) ? Es sollte somit ein Ereignis sein, dass ohne Fragestellungen sozialer oder rechtlicher Realität und Machbarkeit auskommen muss, allenfalls neue Form oder System von Gewissheit, sprich Badiou‘sche Wahrheit sein. Rubrizieren könnte ein gesuchtes Ad-hoc-Ereignis unter der hier schon aufgetretenen „Sicherheitskultur“, die zunächst nämlich nichts tatsächlich Soziales reifizierbar macht (und solches trotz ihrer die Wissenschaften sympathisch akzentuierenden Ansprüche), sondern die eine nicht totalisierbare, also schon nicht begrifflich greifbare Gesellschaft (weit vorgelagert) in der Form erfasst, als reine ontologische, bestenfalls schon hantologische oder gar reine religiöse, noch schwächer: urförmige Gedankenspiele hervorgerufen werden (vgl. obige Ausführung zu einer zweiten irreduziblen Identität eines „Wir“). Wie kann ein Anspruch des Unbedingten, der solchen Spielarten intern ist, in eine epistemisch-dynamisierte Demokratie hineingedacht werden und zwar so, dass „etwas“ Unbedingtes sogar zu einer parlamentspolitischen Programmieren befähigt – in den originär politisch programmierenden Raum durchgreifen kann ? Was wäre, wenn dem so festgestellten (Ersatz-)fundament „Ethizismus“ ein seine Form konstituierendes – und in einer Demokratie scheinbar lebensfähiges - Quasi-Totalitäres eigen ist ? Verkapselt sich hierin nun ein solches Ethisches oder Ethizistisches als Quasi-Totalitäres in einem sich neu gründenden ontologischen Fundament, das vor dem Hintergrund von Grundlosigkeit von Gesellschaft sich stets neu perpetuiert, weil herkömmliche Gewissheitssysteme und Fundamente nachweislich desintegriert sind (oder, weil sich das urförmige Denken von Sicherheit und Unsicherheit gar nicht von den Kriterien der Kontingenz oder der Konfliktualität beeindrucken lässt) ? Oder ist er nur bloßes Tool zur Aufrechterhaltung einer spezifischen Selbsterfindung von Gesellschaft, sprich: wenn der so gesehene leere Ort der Macht als Raum einer Ermächtigung zu solcher stets streitbehafteten Selbsterfindung von Gesellschaft betrachtet wird, in dem zum Nachteil anerkannter Limitierungen prozessiert werden kann (Sicherheitspolitik und -recht kennt Schranken, „Sicherheitsreligiöses“ ist schranken- und maßlos). Das Quasi-Totalitäre und seine Logik der Durchgängigkeit: Es besteht zumindest der Verdacht, dass sich eine Kontrastierung (wie auch immer herleitend) zwischen Staat und Zivilgesellschaft durch dieses quasi-totalitäre Verständnis herausschreiben ließe. Die Problematisierung von Sicherheit unterfällt (wundersam) einer scheinbar durchgängigen Identifizierung in der Gesellschaft: Verantwortlich zeichnet eine Ethik des Unbedingten, als übergreifender Imperativ darf sie völlig konträr zu einer politischen Realität stehen. In vielen Politiken würden sich demnach solche Versuche eines Majoritär-Werdens anders gestalten; sich einhegende Partizipationsformen herausbilden, die mit dem Symbolischen und Realen in gegenseitige Beziehung treten müssen. Gerade in der Sphäre der Sicherheitspolitiken „fühlt“ es sich aber anders an: Es sind Ausdrücke von Exzess-Zugehörigkeiten zu einem gesellschaftlich verstandenen, politischen Willensbildungsprozess; mitunter zeitigen solche auch (Grund-)Rechtsübertritte zum Nachteil von Adressaten, die sich agonal zu einer Vorstellung von Unbedingtheit positionieren oder sie unterteilen sich in Formen von Gesinnungsethik, die durch einen additiven Effekt auch jegliche Möglichkeit strategischen und politischen Handelns nicht unwesentlich erschwert (Mengenlehre-Gedanke in der Politik).

All dieses bedeutet zunächst den Weg in eine nur uneigentlich abgeschlossene Sandbox, in der ein repititierend sprossender, ethischer oder gar ethizistischer Gedanke sein Unwesen treiben muss. Ein isoliertes Terrain, auf dem ethische Software ohne Außenwirkung getestet werden kann. Als ein beschämter Raum, als ein Raum, von dem jeder ergriffen wird, dessen Durchgängigkeit aber hoffnungsvoll in den Raum, in dem originär politisch Programmierendes vollzogen werden kann, verdrängt wird. Indem das Eigentümliche und Pathetische eines Ethizistischen fortwährend Konflikte in den Raum des Sicherheitsdenkens wirft, den man alternierend gerne oder auch widerwillig verlassen will, den man aber nie „unbeschädigt“ verlassen kann, wird ein unterstelltes „Wir“ herausgefordert, sich in seinem Selbst zu verlernen: Die lediglich partielle Extinktion dieses „wilden“ Raumes eines ethischen „Wir“ bleibt eine – wenn auch depolitisierte - Steuerungsfähigkeit und -mächtigkeit intern, die einem so gesehenen ethischen oder gar ethizistischen Register entstammen, die aber in ihrer epistemischen Dynamik allenfalls Abschwächungen erfahren; niemals jedoch durch rein symbolische Dispositive im eingespielten demokratischen und politisierten Zwischen der Menschen (Bedingtheit) neutralisiert werden können (ein Vorhof, in dem z.B. Jedermann Urängste gegenüber Fremdem anheim fällt, bevor Formen und Formgebung von Differenzierung einsetzen; in dem vermutlich eine und dieselbe „Kraft“ der „deutschen Seele“, die damalige negative Diskriminierung und die heutige positive Diskriminierung von Juden hervorbringen konnte beziehungsweise kann). Diese Passage von einem solchen „wilden“, unabschließbaren Primat des Ethischen, schlechterdings Ethizistischen zu einem originär politisch prozessierenden Raum, zeigt, dass ein totalitäres, vorliegend ein ethisch- oder ethizistisch-totalitäres Moment sehr wohl innerhalb demokratisch verfasster Gemeinwesen (als ausgewiesen post-totalitäre) lebensfähig ist: Eine denklogisch erratisch aufgeladene Mühewaltung im Prozess der Versicherheitlichung einer Gesellschaft, die in ihrer potentiellen ethisch-totalitären Verkapselung darüber Aufweis geben kann, dass eine Totalisierbarkeit eines Begriffes von Gesellschaft, z.B. unter einer emblematisch demokratischen Akzentuierung oder unter dem Eindruck eines von Selbstbefreiung imaginierten Selbsterfindens in demokratischer Verfasstheit, stets unmöglich ist.

Wie könnte man dieses steuermächtige, soziale Räume diffundierende Restpartikel benennen, das im „wilden“ Raum, im unbedingten Zwischen der Menschen auftritt – das als beschämtes Imaginäres kurzfristig unter einem Namen In-Eins-Fallen darf (z.B. im Namen eines Rechtsstaates, der im wilden Raum zugelassen totalitär zu einem hyperpräventiven Staat ohne Recht sich umstellen lassen darf) ? Es sind in gewisser Weise Frustrationsschäden existentiellen Sicherheitsdenkens, die einer gewissen Arbitrarität, einer irgendwie begründbaren Beliebigkeit vom Denken von Sicherheit und Unsicherheit entstammen (die nicht immer der kontingenten und konfliktuellen Verfasstheit, nicht immer nachweisbaren Entwicklungslinien eines Sozialen aufruhen, schon gar nicht in einem Rechtlichen reifizierbar werden müssen). Das im Reich einer ethischen Beliebigkeit und einer Zufälligkeit prozessierende Suchen, das Ad-hoc-Denken von Ereignis-Unsicherheit im „wilden“ Raum ist nicht weniger kontingent, als es arbiträr ist oder in dieser Form wirkt; es wird in erster Linie dadurch gekennzeichnet sein, indem es keine notwendigen, allenfalls hinreichende oder geeignete Gründe, weder Legitimation noch Tatsachen anführen kann. Ein beständiger, repititierender Belästigungsakt eines Sozialen: komisch-bemüht, kurzsichtig, affektuell und nicht selten überragend rein evangelisch-pietistisch. Vielleicht doch ein pathetisches, nur mäßig umstrittenes Ideal !